Bei der Parlamentswahl in den Niederlanden hat die linksliberale D66 nach deutlichen Verlusten für die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders Anspruch auf die Regierungsbildung erhoben. Er sei «sehr zuversichtlich», eine Regierung bilden zu können, sagte D66-Chef Rob Jetten am Donnerstag. Seine Partei hatte bei der Abstimmung am Vortag überraschend deutlich zulegen können, Wilders islam-feindliche Freiheitspartei (PVV) hatte dagegen deutlich an Boden verloren. Nach Auszählung fast aller Stimmen liegen D66 und PVV mit jeweils voraussichtlich 26 Sitzen in der 150 Sitze zählenden Zweiten Kammer des Parlaments gleichauf. Für die PVV bedeutet dies einen Verlust von mehr als einem Viertel ihrer Sitze innerhalb von zwei Jahren. D66 konnte die Zahl ihrer Abgeordneten dagegen verdreifachen. Wilders würde wohl auch dann keine Koalition bilden können, wenn er doch noch mehr Sitze als die D66 erringt - denn zahlreiche Parteien lehnen eine Zusammenarbeit mit ihm ab, nachdem er die letzte Regierungskoalition scheitern liess.

Anders stellt sich die Lage für den 38-jährigen Jetten dar. Die D66 wolle nun die Initiative zur Bildung einer neuen Regierung übernehmen, sagte Jetten, der der jüngste und erste offen homosexuelle Ministerpräsident der Niederlande werden könnte. Er wird jedoch die Unterstützung mehrerer anderer Parteien benötigen. Die Wahl habe eine «sehr starke Botschaft der niederländischen Wähler» gesendet, «dass sie wollen, dass positive politische Kräfte in der Mitte zusammenarbeiten», sagte Jetten. Er hatte im Wahlkampf über die traditionellen D66-Themen Klimawandel und Bildung hinaus auch die Politikfelder Einwanderung und Wohnungsnot besetzt und damit auch Wähler aus dem rechten Spektrum gewonnen.

Die Regierungsbildung, die in den Niederlanden oft Monate dauert, dürfte in einem stark zersplitterten Parlament kompliziert werden. «Es wird sehr schwierig», sagte die D66-Politikerin Kajsa Ollongren. Die Parteivorsitzenden werden sich voraussichtlich am Freitag treffen, um über die nächsten Schritte zu beraten. Sie könnten einen «Scout» ernennen, der die Koalitionsgespräche aufnimmt - oder das offizielle Endergebnis der Wahlen abwartet, das in den kommenden Tagen erwartet wird.

Die Wahl galt auch als Test für die Stärke der extremen Rechten in Europa. «Wir haben nicht nur den Niederlanden, sondern auch der Welt gezeigt, dass es möglich ist, populistische und rechtsextreme Bewegungen zu schlagen», sagte Jetten.

Wilders erklärte seinerseits auf der Plattform X, er werde die Führung bei der Regierungsbildung übernehmen, sollte die PVV am Ende mehr Stimmen erhalten. «Solange es nicht zu 100 Prozent klar ist, kann D66 nicht die Führung übernehmen. Wir werden alles tun, um das zu verhindern», schrieb er. Für eine Mehrheit sind 76 Sitze im niederländischen Parlament notwendig, wofür mindestens vier Parteien benötigt werden. 

(Reuters)