Als Morten Wierod Anfang August 2024 den ABB-CEO-Posten von Björn Rosengren übernahm, sahen dies viele Beobachter als heikle Aufgabe. Rosengren hatte einen immensen Leistungsausweis vorzuweisen. Innert vier Jahren fokussierte und dezentralisierte der Schwede den Konzern derart, dass sich der Aktienkurs auf ein Rekordhoch verdoppelte. Eine Erlösung für Investoren, denen das jahrelange Herumdümpeln des Kurses um die Marke von 20 Franken immer mehr auf die Nerven gegangen war. Die Nachfolge von Rosengren - eine Mission Impossible für Wierod?

Der Norweger, der seit über 25 Jahren bei ABB wirkt und der wie Top-Management-Kollege Giampiero Frisio nie einen anderen Arbeitgeber hatte, brauchte rund ein halbes Jahr, um eigene Pflöcke einzuschlagen. Im April gab ABB ein Spin-Off der Robotik-Sparte - mit 7000 Mitarbeitenden für rund 7 Prozent des Konzernumsatzes verantwortlich - für das zweite Quartal 2026 bekannt. Das erstaunte, denn Robotics galt als die Geschäftseinheit, in welcher Wierod-Vorgänger Rosengren eine grosse Zukunft sah. Doch Wierod will den Konzern noch profitabler machen und stellt auch heilige Kühe in Frage.

Allerdings stellen sich bei seinen Plänen einige Fragen. War da nicht auch noch der geplante Börsengang der defizitären E-Mobility-Sparte von ABB, ursprünglich 2022 angekündigt und zuletzt auf 2026 verschoben? Kommt es im nächsten Jahr zum Abspaltungs-Gerangel bei ABB? Konzern-Sprecher Eike Christian Meuter beantwortet die Frage, welcher der beiden Unternehmensteile zuerst vom Konzern losgelöst werden soll, nicht direkt.

Er fügt aber an, dass es sich bei E-Mobility (IPO) und ABB Robotics (Spin-Off) um zwei sehr unterschiedliche Transaktionen handle. «Bei einem IPO werden Aktien am Markt platziert. Ein Spin-off ist viel weniger abhängig von der allgemeinen Marktsituation als ein IPO», so Meuter. Robotics soll zu 100 Prozent als Sachdividende an die ABB-Aktionäre ausgeschüttet werden.

«IPO für E-Mobility schon nächstes Jahr eher fraglich»

Für Mark Diethelm, Analyst bei der Bank Vontobel, ist jedoch klar, wo die Prioritäten liegen: «Ein IPO für E-Mobility schon nächstes Jahr scheint mir eher fraglich», eine Abspaltung von Robotics im zweiten Quartal 2026 dagegen ziemlich sicher. Diethelm verweist dabei auf das veränderte Umfeld im Bereich der Elektromobilität und E-Ladestationen - ein Umfeld, das die Lage für die Problemsparte E-Mobility nicht einfacher machte. Lange Zeit herrschte Unklarheit bei Standards der Elektroladestationen in den USA, was die Nachfrage drückte. Neu sind auch Subventionen weggefallen, Verkäufe von Elektro-Autos wie Tesla in Europa eingebrochen, die Erwartungen beim Absatz von Cybertrucks zurückgeblieben. E-Mobility schrieb 2024 einen Verlust von rund 200 Millionen Dollar. Der Betrag wird sich laut Diethelm im 2025 bestenfalls halbieren.

Anders die Lage bei der viel grösseren und profitablen Geschäftseinheit Robotics, die margenmässig dem Gesamtkonzern zwar hinterherhinkt. Hier erhofft sich ABB-Chef Wierod einen ähnlichen Erfolg wie bei der Abspaltung des Turbolader-Geschäftes Accelleron im Oktober 2022. Der Accelleron-Kurs hat sich zum Erstaunen vieler Beobachter seither verzweieinhalbfacht.

Oder es kommt mit den Loslösungsplänen ohnehin anders: Sollte der Preis stimmen, sind die Einheiten schnell verkauft. So überraschte es nicht, als im Mai die Meldung die Runde machte, dass ABB auch den Verkauf von Robotics prüfe. «Bevor wir unsere Absichten bezüglich des IPOs von E-Mobility und dem Spin-off der Robotik-Division bekannt gegeben haben, haben wir verschiedene Optionen für beide Einheiten geprüft», so ABB-Sprecher Meuter dazu. Sollte ABB etwa für eine Übernahme angesprochen werden, sei es die Pflicht der Konzernleitung und des Verwaltungsrats, alle Vorschläge gründlich zu prüfen.

ABB-Chef Wierod wird mit der Konzernverschlankung weitermachen

In der Regel ist ein Spin-off für die Aktionäre langfristig interessanter, da die Investoren weiterhin an der Wertsteigerung teilhaben könnten, sagt Analyst Diethelm. Bei Robotics könnte dies aber anders sein. «Der Börsenstandort von Robotics dürfte Schweden sein, wo auch die Zentrale und der R&D-Campus von Robotics zu Hause sind». Eine Kotierung von Robotics lediglich in Schweden wäre für Schweizer Aktionäre daher weniger attraktiv, so Diethelm. Sprich: Ein Verkauf von Robotics könnte für Investoren besser sein.

ABB-Chef Wierod dürfte mit diesen zwei Schritten der Konzernverschlankung, sofern sie vollzogen werden, jedenfalls noch nicht zufrieden sein. Am Markt wird spekuliert, dass Wierod durchaus die Division Machine Automation, die zusammen mit ABB Robotics noch den Geschäftsbereich Robotik & Fertigungsautomation bildet, verkaufen könnte.

Die weitere Fokussierung des Konzerns beurteilen Investoren mit Blick auf den Aktienkurs grundsätzlich positiv. Doch auf mittelfristige Sicht müsste man «eine Spur mehr Wachstum sehen, vor allem in den beiden grossen beiden Sparten, Elektrifizierung und Motion», damit wieder Bewegung in den Aktienkurs kommt, sagt Analyst Diethelm. Denn der Kurs befindet sich nur wenige Prozentpunkte über dem Niveau, als Wierod im August den Konzernvorsitz übernahm - und rund 15 Prozent unter der Rekordmarke vom Januar.

Viele Analysten haben die Erwartungen für die ABB-Aktie in den letzten Monaten zurückgenommen, unter anderem aus Bewertungsgründen. So empfehlen nur noch zwölf von 38 ABB-Analysten, die bei Bloomberg erfasst sind, die ABB-Aktie zum Kauf.

Daniel Hügli
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