Steigende Zinsen bedeuten tiefere Immobilienbewertungen. Das führte in vielen Ländern zu einem Einbruch der Immobilienpreise. Zuletzt hatte auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) vor sinkenden Preisen für Häuser und Wohnungen gewarnt. Vor allem Renditeliegenschaften, wie Mehrfamilienhäuser auch genannt werden, sind laut der Notenbank gefährdet.

In der Tat sind die Preise für Renditeliegenschaften, die zuvor übermässig gestiegen sind, zuletzt etwas gesunken. Bei den selbst genutzten Immobilien hat sich das Preiswachstum immerhin etwas abgeschwächt. Und dieser Trend könnte sich laut der SNB nun fortsetzen.

Tritt das ein, würde auch der schon seit rund 20 Jahren boomende Schweizer Immobilienmarkt zum Stillstand kommen. Laut Immobilienexperten besteht aber keine Gefahr für grossflächige Preisrückgänge.

Vor allem private Investoren gefährdet

Wenn die Zinsen steigen, sinkt der Wert einer Immobilie, weil Anleger von anderen Investitionsmöglichkeiten gelockt werden. So sind Obligationen, mit diesen können risikolos wieder 1,5 bis 2 Prozent und damit fast so viel wie mit Renditeliegenschaften verdient werden, wieder eine attraktive Alternative.

Dazu kommt, dass ein Verkauf unter Druck harzig verlaufen könnte. Zinspapiere bescheren nicht nur weniger Aufwand, sie können im Bedarfsfall rascher und viel weniger kompliziert zu Geld gemacht werden.

Da viele Mehrfamilienhäuser zu äusserst knappen Renditen gekauft wurden, könnten einige Besitzer nun in Bedrängnis geraten. Das betrifft vor allem Private, die in der Vergangenheit Immobilien gekauft haben, um sie zu vermieten und um die Nullzinsen auf dem Sparkonto zu umgehen. Das gilt vor allem dann, wenn sie knapp mit Eigenkapital finanziert sind und die höheren Zinszahlungen nicht leisten können.

Private halten laut dem Bundesamt für Statistik mehr als die Hälfte (56%) aller Mehrfamilienhäuser. Weniger oder kaum gefährdet sind institutionelle Anleger wie Pensionskassen, Fonds oder Versicherungen. Institutionelle besitzen laut dem BFS "nur" ein Fünftel aller Renditeliegenschaften.

Experten: Markt ist intakt

Von AWP befragte Experten sehen aber kein Schreckensszenario voraus und nennen verschiedene Gründe dafür. So sei der SNB-Leitzins mit 1,75 Prozent nach wie vor sehr tief. Zweitens profitierten die Besitzer von Renditeliegenschaften von der Mangellage bei Mietwohnungen, sagt Claudio Saputelli, Immobilienexperte bei der UBS Schweiz.

Eine starke Zuwanderung und immer mehr Single-Haushalte sorgten nämlich für eine hohe Nachfrage und steigende Mieten. Parallel dazu habe die Bautätigkeit nachgelassen und verschärfte regulatorische Hürden befeuerten die Wohnungsknappheit zusätzlich. Dies stütze sowohl den Eigenheim- als auch Mietwohnungsmarkt, sagt Saputelli.

Auch bei Gewerbeimmobilien bestehe keine Gefahr. Deren Entwicklung ist laut Saputelli stark an die der Industrie und der Konjunktur gekoppelt. "Sie leiden, wenn die Konjunktur leidet." Derzeit gehe es der Schweizer Wirtschaft aber gut.

Zudem gibt es im gewerblichen Bereich eine strukturelle Übernachfrage, sagt Florian Hauber, Head Group Treasury von Swiss Prime Site. Das Angebot decke die jährliche Nachfrage nur zu 70 bis 80 Prozent und auch in diesem Bereich habe die Neubautätigkeit nachgelassen. Dies wiederum stütze den Markt.

Auch der während der Coronapandemie totgesagte Büroflächenmarkt ist "definitiv nicht tot", findet Urs Fäs, Chef Anlageprodukte im Bereich Immobilien bei UBS Schweiz. Denn viele Unternehmen wollten ihre Angestellten wieder mehr im Büro sehen. Laut einer Studie der Credit Suisse hat die Nachfrage nach Büroflächen - vor allem an sehr guten Lagen - wieder deutlich zugenommen.

Vielleicht 3 bis 5 Prozent

Doch ganz ungeschoren dürfte die Schweiz trotz allem nicht davonkommen. Die Zeit automatisch steigender Immobilienpreise sei definitiv vorbei, sagt Martin Neff, bis Ende Juni Chefökonom von Raiffeisen Schweiz.

Neff rechnet aber nicht mit einem grossflächigen und starken Preisrückgang bei Rendite- und Gewerbeliegenschaften. "Drei bis fünf Prozent könnte es zwar abwärts gehen, aber sicher nicht zweistellig", wagt der Experte eine Prognose.

(AWP)