Mit Blick auf die griechische EP-Abgeordnete Eva Kaili sagte die deutsche EP-Vizepräsidentin, Katarina Barley, am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters: "Die sozialdemokratische EP-Fraktion hat sie bereits suspendiert und wird auch ihre Abwahl als Parlamentsvizepräsidentin beantragen." Kaili sei auch schon von den griechischen Sozialdemokraten aus der Partei ausgeschlossen worden. Auch aus Reihen der Union und der Grünen gab es den Ruf nach Konsequenzen. Die Staatsanwaltschaft in Brüssel teilte mit, es habe am Samstagabend Durchsuchungen bei einem zweiten EP-Abgeordneten gegeben.

"Die in Raum stehenden Vorwürfe sind heftig: Eine Abgeordnete, die gegen Geld versucht, Parlamentsbeschlüsse zu beeinflussen", sagte der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe bei der konservativen EVP-Fraktion im EP, Daniel Caspary, zu Reuters. "Sollten sich die Vorwürfe bewahrheiten, dann erwarte ich einen schnellen Rücktritt." Er forderte zudem Aufklärung der europäischen Sozialisten: "Sind noch weitere Abgeordnete oder Mitarbeiter beteiligt? Wer hatte möglicherweise Kenntnis?", sagte er. Man müsse alles tun, um das Vertrauen in das Europäische Parlament zu erhalten und gegebenenfalls zurückzugewinnen." Der Grünen-EP-Abgeordnete Daniel Freund hatte sich bereits am Samstagabend im ZDF schockiert gezeigt. "Wenn sich die Vorwürfe erhärten, dann haben wir hier einen der größten, wenn nicht den größten Korruptionsskandal in der Geschichte des Europäischen Parlaments."

Am Freitag waren Kaili und fünf weitere Verdächtige von belgischen Behörden nach übereinstimmenden Medienberichten festgenommen worden. Ihnen werden laut Staatsanwaltschaft mutmassliche Korruption, Geldwäsche, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie versuchte Einflussnahme aus dem Ausland vorgeworfen. Da sich Kaili vor allem lobend über Katar geäussert hatte, könnte laut belgischen Medien der Golfstaat hinter den Korruptionsvorwürfen stecken. In der Bundesregierung hiess es lediglich: "Wir haben die Berichte zur Kenntnis genommen und kommentieren die laufenden Ermittlungen nicht."

Die Transparenz-Regeln des EP seien eigentlich schon sehr weitreichend, sagte die SPD-Politikerin Barley. "Es geht um einen offenbar kriminellen Einzelfall, den können Sie nie ausschließen." Sie regte an, dass der Bundestag sich die europäischen Regeln anschauen sollte. "Auch der Bundestag könnte darüber nachdenken, Auskünfte einzuholen, wer in welchen Bereichen von Gesetzesvorhaben Lobbyarbeit betreibt", sagte Barley. Die europäischen Transparenzregeln seien "durchaus fortschrittlicher als dies in Deutschland auf Bundesebene der Fall ist", fügte sie hinzu.

Die Regeln würden zudem für alle drei europäischen Institutionen gelten, also Parlament, Kommission und Rat. Wer etwa einen Kommissar treffen möchte, müsse im Lobbyregister registriert sein und dort auch Angaben gemacht haben, mit welchem Dossier er oder sie sich beschäftigt, wie viele Angestellte es gibt und wie hoch das eigene Budget ist, sagte Barley. 

(Reuters)