Am Dienstag verdoppelte sich der Nickel-Preis binnen weniger Stunden auf 100'000 Dollar je Tonne. Die Londoner Metallbörse musste den Handel stoppen, um eine Panik am Markt zu vermeiden. Palladium oder Aluminium kosten so viel wie nie zuvor. Auch wenn die Metalle bislang nicht von Sanktionen betroffen sind, kehren immer mehr Unternehmen Russland den Rücken. Die Kosten dürften am Ende die Autokäufer zu spüren bekommen.

Dabei sind die explodierenden Rohstoffkosten nur eines der vielen Probleme für die Branche. "Was passiert jetzt?", fragte Stellantis-Chef Carlos Tavares vergangene Woche. "Als erstes haben wir eine Kostensteigerung bei Rohstoffen und Energie, die Druck auf das Geschäftsmodell ausüben wird."

Andreas Weller, Chef des Aluminium-Verarbeiters Aludyne, beziffert den Kostenanstieg im Europa-Geschäft allein für die vergangenen vier Monate auf 60 Prozent. Dazu kommen die höheren Energiepreise. Diese Kosten müsse er weitergeben: "Einige verstehen das besser und sind kooperativer als andere, aber wir können sonst nicht überleben."

Entscheidender ist die Frage der Versorgungssicherheit. In Krisensitzungen mit Zulieferern werde "Katastrophen-Tetris" gespielt, heisst es bei einem Autohersteller: "Was bekommen wir wegen der Kämpfe nicht, was bekommen wir wegen der Sanktionen nicht, was bekommen wir wegen der Pandemie nicht."

Denn die Chip-Knappheit ist längst nicht überstanden, und jetzt kommen fehlende Kabelbäume aus der Ukraine noch hinzu. Autobauer von BMW bis Volkswagen mussten die Produktion drosseln. Sie müssen erst einmal ermitteln, wo die Rohstoffe denn genau herkommen, die dann in Batterien, Katalysatoren und vielen anderen Autoteilen landen.

Russland wichtiger Lieferant für Nickel

Nach Berechnungen der Deutschen Rohstoffagentur kamen 44 Prozent des in Deutschland verwendeten Nickels im Jahr 2020 aus Russland, bei Titan waren es 41 Prozent, bei Eisenerz rund ein Drittel, bei Palladium 18 Prozent. 2021 war Russland laut einer Erhebung der Credit Suisse mit einer Fördermenge von 108 Millionen Tonnen der weltweit fünftgrösste Eisenerz-Produzent.

Vor allem die österreichische Voestalpine und SSAB aus Schweden gehören nach Einschätzung der US-Investmentbank JP Morgan zu den Firmen, deren Risiko besonders hoch ist. Voestalpine hat nach eigenen Angaben ausreichende Lagerbestände für die kommenden Monate. "Wir gehen davon aus, unseren Rohstoffbedarf über diesen Zeitraum hinaus durch unsere anderen Rohstofflieferanten abdecken zu können." SSAB antwortete zunächst nicht auf die Bitte um eine Stellungnahme.

Auch wenn Aluminium nicht auf der Sanktionsliste der EU steht, hat sich die norddeutsche Voss Edelstahlhandel dazu entschlossen, aus dem Geschäft mit Lieferanten aus Russland auszusteigen. "Aluminium wird von Russland genutzt, um Geld ins Land zu schaffen", sagte Geschäftsführer Thorsten Studemund. "Wir werden so lange kein russisches Aluminium mehr kaufen, wie wir die Gefahr sehen, einen Krieg mitzufinanzieren."

Kopfzerbrechen macht den Autobauern der Nickel-Nachschub. Caspar Rawles von der Beratungsfirma Benchmark Mineral Intelligence (BMI) sagt, Russland steuere zwar nur fünf Prozent der weltweiten Nickelproduktion bei, liefere aber von hochwertigem Nickel ein Fünftel.

"Das ist die grösste Sorge für die Batterie-Lieferkette, die mit Rekordpreisen für Lithium und sehr, sehr hohen Kobaltpreisen zu kämpfen hat", sagte Rawles. BMW will verstärkt Recyclingmaterial zum Einsatz bringen. Im neuesten Modell iX kämen bis zu 50 Prozent Recycling-Nickel zum Einsatz, sagt eine Sprecherin.

Autos mit Verbrennungsmotoren dürften auch nicht ungeschoren davonkommen: Für Katalysatoren braucht man Palladium. Das Edelmetall statt aus Russland von woanders her zu beziehen, sei nicht so einfach, weil es überall knapp sei, sagte Henrik Marx, Leiter des Edelmetallhandels bei Heraeus.

Chris Blasi, Chef des Edelmetallhändlers Neptune Global, schätzt den Wert des in einem Katalysator eingesetzten Palladiums auf rund 200 Dollar. Die Kosten könnten sich aber auch verdoppeln. "Entweder zahlen die Verbraucher mehr für Autos. Wenn es die Autobauer nicht auf sie abwälzen können, müssen sie anderweitig nach Einsparmöglichkeiten suchen."

(Reuters)