Was in diesen Tagen mit der Aktie des US-Computerspielehändlers Gamestop passiert, ist Resultat eines Machtkampfes zwischen zwei Parteien, deren Interessen nicht gegensätzlicher sein könnten: Auf der einen Seite steht der berüchtigte aktivistische Leerverkäufer Andrew Left mit seinem Unternehmen Citron Research - das Shortseller-Haus ist bekannt dafür, es vor allem auf chinesische börsenkotierte Firmen abgesehen zu haben.

Auf der anderen Seite steht eine ganze Armee von Hobby-Tradern, die sich auf Portalen wie Reddit und Twitter gegenseitig anfeuern, den Berichten von Citron Research zu trotzen und die Aktie weiter in den Himmel zu kaufen. Zwischenfazit: Fürs erste hat die Reddit-Horde gewonnen.

Kursentwicklung der Gamestop-Aktie seit 2004 (in Euro). Quelle: Google

Was war passiert? Vor etwa zwei Wochen legte Gamestop überraschend starke Zahlen vor. Der Videospiele-Händler, dessen Vertrieb noch immer überwiegend auf den Verkauf in Filialen statt auf Online-Handel ausgerichtet ist, leidet seit Jahren unter dem Branchenwandel weg vom stationären Handel hin zu Online-Shops.

Doch die am 11. Januar publizierten Zahlen zum Weihnachtsgeschäft fielen überraschend ordentlich aus und regten die Phantasie vieler Kleinanleger an. Zudem feierte die Börse die Berufung von Ryan Cohen, einem E-Commerce-Top-Shot, in den Verwaltungsrat des Computerspielehändlers.

Leerverkäufer stürzt sich auf Gamestop-Aktie

Die Aktie schoss innert zweier Tage um rund 100 Prozent in die Höhe – von knapp 20 Dollar auf 40 Dollar. Doch dem Leerverkäufer-Haus Citron Research wurde es angesichts der Kursrally der Gamestop-Aktie zu bunt. Die Shortseller setzten letzte Woche zum Grossangriff auf die Gamestop-Aktie an. In einem Video wies Citron Research auf eine ganze Reihe potenzieller Schwachstellen bei der Gamestop-Aktie hin. Das Kurzfazit: Die Aktie sei hoffnungslos überbewertet und würde die schlechte Marktstellung des Unternehmens gegenüber Konkurrenten wie Walmart und Amazon nicht mal ansatzweise berücksichtigen.

Doch das Shortseller-Haus hatte die Rechnung ohne die grosse Armee von Hobby-Tradern gemacht, die sich durch das Video offenbar dazu motiviert sahen, die Gamestop-Aktie jetzt erst recht zu kaufen – und andere Trader zu animieren, es ihnen gleich zu tun.

Screenshot aus einem Reddit-Forum, Quelle: reddit.com

Was folgte war ein waschechter Short-Squeeze, der offenbar bis heute anhält. Ein Short-Squeeze entsteht, wenn sehr viele Leerverkäufer binnen kurzer Zeit gezwungen sind, ihre Positionen zu schliessen und sich mit Aktien einzudecken. Damit sollen noch höhere Verluste vermieden werden. Dies führt bei Aktien immer wieder zu explosionsartigen Kurssprüngen.

Teilweise offenbarten Reddit-User, dass sie ihre sämtlichen Studienkredite opferten, um das Geld in die Gamestop-Aktie zu setzen. Die Mobilisierung der Kleinanleger in den Internetforen hat sich ausgezahlt. Ende letzter Woche schoss die Aktie erneut rund 65 Prozent nach oben, auf nunmehr 65 Dollar - und knackte damit das seit 2015 bestehende Allzeithoch.

Laut Daten von Bloomberg war Gamestop am Freitag die meistgehandelte US-Aktie am Markt. Und am heutigen Montag scheint die Rally unvermindert weiterzugehen. An der Börse Frankfurt steigt die Aktie heute erneut um bis zu 80 Prozent. Auch im vorbörslichen US-Handel notieren die Titel mittlerweile bei über 100 Dollar. Das ist ein Plus von 450 Prozent im Jahr 2020. Zu Erinnerung: Anfang Jahr notierte die Aktie bei 17,25 Dollar.

Die Macht Robinhood-Trader

Die Rally der Gamestop-Aktie zeigt exemplarisch, wie junge Robinhood-Trader ohne  Risikoempfinden derzeit Einfluss auf Kurse zumindest kapitalisierter Börsenunternehmen ausüben können. In diesem Fall zwang man sogar ein berüchtigtes Shortseller-Haus in die Knie.

Citron Research strich noch letzte Woche die Segel. In einem offenen Brief beklagte sich Andrew Left über einen "wütenden Mob" von Gamestop-Anlegern, der sogar vor Drohungen an seine Familie nicht halt mache, so Left. "Daher werden wir zum Unternehmen Gamestop keine Kommentare mehr publizieren. Die Familie geht vor." Er gab zudem an, die begangenen Straftaten der Bundespolizei (FBI) zu melden.

Die grossen Analysehäuser an der Wall Street hielten sich bisher betreffend die Gamestop-Aktie zurück. Für Michael Pachter vom Investment-Haus Wedbush müsse Gamestop seine Umsätze "rasch verdoppeln" um einen Preis von 50 Dollar je Aktie zu rechtfertigen, zitiert ihn Bloomberg. Sein Kursziel von 16 Dollar gehört noch zu den optimistischen unter den Analysten. Der Analystenkonsens sieht den Wert der Aktie bei 12,34 Dollar. Von 8 Analysten, empfiehlt nur einer, die Aktie zum Kauf. Die Credit Suisse gehört bei Gamestop zu den grössten Bären: Sie sieht die Aktie bei gerade einmal 3 Dollar.

Angesichts der fundamental nicht begründbaren Rally sollten sich Anleger vor der Aktie fernhalten. Zwar ist es gut möglich, dass die Aktie noch eine Weile weiter steigt, doch irgendwann werden die ersten Trader zucken und die Gewinne mitnehmen. Die daraus resultierende Verkaufswelle scheint vorprogrammiert.