Langfristig investieren führt zu Wohlstand - zumindest in der Theorie. Doch wirklich langfristige Daten, die eine Grundlage für fundierte Investitionsentscheidungen bilden, gibt es überraschend wenige. Die meisten Zeitreihen reichen nur wenige Jahrzehnte zurück.
Das Forschungsinstitut der Deutschen Bank hat in einer Studie Finanzdaten aus 56 Ländern der vergangenen 200 Jahre analysiert. Fazit: Investoren sollten ein Augenmerk auf Stabilität, Bewertung und Inflation legen.
Stabilität führt zu Wohlstand - Schulden bremsen
International betrachtet waren die besten Anlageorte der vergangenen hundert Jahre zugleich einige der stabilsten Volkswirtschaften. Schweden, Australien, Dänemark, die USA und auch die Schweiz gehören dazu.
Schweden erzielte mit 7,5 Prozent jährlicher Rendite die stärksten Aktienerträge, gefolgt von den USA und Australien mit 7,2 respektive 6,9 Prozent pro Jahr. Bei Anleihen liegt Dänemark mit 3,5 Prozent pro Jahr an der Spitze, Kanada (2,7 Prozent), Australien (2,2 Prozent) und Irland (2,2 Prozent) folgen.
Diese Stabilität zeigt sich teilweise auch in den Währungen. Der Schweizer Franken gehört zu den nur drei Währungen, die sich seit 1924 gegenüber dem US-Dollar aufgewertet haben. Heute ist der Franken rund 541 Prozent wertvoller als der Greenback, der Singapur-Dollar etwa 40 Prozent, und der niederländische Gulden (später in Euro umgerechnet) rund ein Drittel.
Länder mit geringer Stabilität oder hoher Verschuldung erzielten dagegen niedrigere Renditen. Besonders auf Italien und Japan trifft dies zu, beide Verlierer des Zweiten Weltkriegs. In Italien belastete die anschliessend ausgeprägte politische Instabilität mit zahlreichen Regierungswechseln die Anlagerenditen, in Japan das aussergewöhnlich hohe Schuldenniveau. Bemerkenswert ist jedoch, dass italienische Aktien in den vergangenen fünf Jahren unter den entwickelten Märkten die besten realen Renditen erzielten - zeitgleich mit einer neu gewonnenen Stabilität.
Die realen Aktienrenditen in Italien und Japan liegen im Durchschnitt bei minus 1,1 Prozent pro Jahr seit über 100 Jahren. Frankreich - ebenfalls Opfer von dauerhaft hoher Schulden - verzeichnet in der gleichen Periode eine Jahresrendite von minus 0,5 Prozent. Die Renditedifferenz zu beispielsweise Schweden ist damit enorm.
Bewertungen sind zentral
Für Renditen spielen Einstiegsbewertungen eine fundamentale Rolle. Wer in überdurchschnittlich bewerteten Regionen investiert, muss mit einer niedrigeren Rendite rechnen, als wenn das Bewertungsniveau unter dem Durchschnitt liegt - und zwar unabhängig davon, ob man die Bewertung über das zyklisch bereinigte Kurs-Gewinn-Verhältnis (CAPE), das klassische KGV oder die Dividendenrendite misst.
Laut der Deutschen Bank betrugen die Renditen der nachfolgenden 70 Jahre in einem tief bewerteten Umfeld rund 20 Prozent. In hoch bewerteten Märkten erzielten Anleger dagegen etwa 11 Prozent pro Jahr. Der US-Markt ist in diesem Zusammenhang ein interessanter Fall. Die Renditen waren in jüngster Zeit aussergewöhnlich hoch, trotz stattlicher KGV- und CAPE-Bewertungen sowie historisch tiefer Dividendenrenditen. Das ist laut Deutscher Bank jedoch die Ausnahme und nicht die Regel, weder international noch historisch betrachtet. Denn selbst in den USA spielten Bewertungen über längere Zeiträume die entscheidende Rolle.
Laut dem Finanzinstitut waren die aktuellen CAPE-Werte des US-Marktes nur einmal höher in den vergangenen 100 Jahren: während des Aufbaus der Dotcom-Blase im Jahr 2000. Die realen 10-Jahres-Renditen nach dieser Phase fielen anschliessend negativ aus. Die Experten sehen Parallelen zu heute. Berechnungen zufolge dürfte die Durchschnittsrendite für US-Aktien für die nächsten zehn Jahre bei rund minus 2,5 Prozent liegen.
Für niedrige Bewertungen spricht auch die Höhe der Dividendenrendite. Diese haben durchschnittlich zu 12,8 Prozent Portfoliorendite pro Jahr geführt. Portfolios mit niedrigen Dividenden haben dagegen in den vergangenen 200 Jahren nur 9,3 Prozent pro Jahr erzielt.
Inflation wird unterschätzt
Beim langfristigen Vermögensaufbau nimmt die Inflation eine zentrale Stellung ein. Mit Blick nach vorn äussert die Deutsche Bank diesbezüglich Bedenken: Langfristige Prognosen berücksichtigen politisch bedingte Inflation in langfristigen Modellen kaum. Seit 1971 hat keine Volkswirtschaft im Durchschnitt eine jährliche Inflation unter 2 Prozent erreicht, obwohl seit Jahrzehnten die Zwei-Prozent-Marke die Berechnungsgrundlage vieler Finanzmodelle und Leitlinien der Zentralbanken darstellt.
Damit verweisen die Verfasser der Studie auf etwas sehr Wichtiges: Um mittel- bis langfristig hohe Anlageergebnisse zu erzielen, ist es notwendig, kurzfristige Anlagerisiken einzugehen und die Dividenden sowie Coupons von Aktien und Anleihen zu reinvestieren. Das Fazit wirkt etwas paradox, aber nachvollziehbar: «In einem inflationsgeprägten Umfeld wie dem heutigen kann es paradoxerweise auf lange Sicht deutlich riskanter sein, Bargeld zu halten.»
Diesen Schluss belegt die Deutsche Bank mit handfesten Beweisen: Die Auswertung von 200 Jahren globaler, inflationsbereinigter Renditen (in US-Dollar) zeigt, dass Aktien die beste Anlageklasse waren. Sie erzielten im Schnitt 4,9 Prozent pro Jahr, ein 60/40-Portfolio bestehend aus Aktien und Obligationen kam auf 4,2 Prozent, Staatsanleihen auf 2,6 Prozent, Geldmarktpapiere auf 1,9 Prozent und Gold auf 0,4 Prozent. Nur Bargeld verlor real 2,0 Prozent pro Jahr an Wert. Langfristig gesehen war CAsh also in der Tat riskanter.

