Der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers vergleicht die Vielzahl der Risiken, mit denen die Weltwirtschaft momentan konfrontiert ist, mit dem Sommer 2007, also beim Ausbrch der Finanzkrise. Die aktuellen Probleme des Vereinigten Königreichs seien dabei nur ein Beispiel für mögliche Zusammenbrüche.

"Wir leben in einer Zeit erhöhter Risiken", sagte Summers in der Sendung "Wall Street Week" von Bloomberg Television. "So wie die Menschen im August 2007 beunruhigt waren, denke ich, dass momentan ebenfalls grössere Sorgen angebracht wären."

Im Sommer 2007 waren die ersten Anzeichen von Spannungen auf dem kollabierenden US-Immobilienmarkt zu beobachten, welche sich im Jahr darauf zur schlimmsten Finanzkrise seit der Grossen Depression entwickelten.

Der neue britische Finanzminister Kwasi Kwarteng hatte letzte Woche milliardenschwere Steuersenkungen und ein Entlastungspaket für Energieverbraucher vorgestellt. Dies schürte Furcht vor einer ausufernden Staatsverschuldung. Investoren flohen daraufhin aus dem Pfund und warfen britische Staatsanleihen aus ihren Depots. Um die Nerven zu beruhigen, pumpte die Bank von England (BoE) daraufhin frisches Geld in die Finanzmärkte. Diese Liquiditätsspritze erschwert ihr allerdings den Kampf gegen die galoppierende Inflation.

Janet Yellen, der derzeitige Finanzministerin der USA, ist der Meinung, dass die Finanzmärkte gut funktionieren, nachdem ein Absturz der Aktien und Staatsanleihen und ein Anstieg des Dollars die Anleger verunsichert hat. "Wir können keine Liquiditätsprobleme an den Märkten beobachten. Wir sehen, soweit ich weiss, nicht die Art von Schuldenabbau, welcher sich als Risiko für die Finanzstabilität herausstellen könnte", sagte Yellen Mitte Woche.

Abgesehen vom Vereinigten Königreich gibt es nach Meinung von Summers zwar ebenflls keine Anzeichen dafür, dass sich die anderen Märkte unruhig verhalten. "Aber wir wissen, dass solche Situationen bei extremer Volatilität wahrscheinlicher werden."

Die derzeitige Fragilität sei unter anderem auf eine erhebliche Verschuldungsrate, die Unsicherheit über die wirtschaftspolitischen Aussichten, das Unbehagen über die hohen Inflationsraten, die Volatilität bei Rohstoffen und die geopolitischen Spannungen im Zusammenhang mit Russlands Invasion in der Ukraine zurückzuführen, so Summers.

«Komplexes und unerforschtes Gebiet»

Ein besonderer Bereich, den es zu beobachten gälte, seien die Belastungen, die mit der Politik Japans zusammenhängen, meinte der ehemalige US-Finanzminister weiter. Einerseits habe Japan durch seine Yen-Käufe in der letzten Woche die Liquidität an den Märkten verringert, um den Wechselkurs zu stützen. Andererseits sei es aber auch zu Liquiditätsspritzen durch die anhaltende geldpolitische Lockerung der Bank of Japan gekommen. Summers hält das für aussergewöhnlich.

"Es wird interessant zu beobachten sein, wie sich das weiterentwickelt", meint der Ökonom. Japanische Investoren würden "grosse Bestände" an festverzinslichen Wertpapieren auf der ganzen Welt halten, und das werde man im Auge behalten müssen.

Was das Vereinigte Königreich betrifft, "befinden wir uns in einem sehr komplexen und unerforschten Gebiet", sagt Summers. Während die Intervention der Bank of England auf dem Gilt-Markt für eine gewisse Zeit für eine Stabilisierung gesorgt habe, könnte sich dies als nicht dauerhaft erweisen, meint der Harvard-Professor und merkt dazu an, dass der Plan der Bank of England darin bestünde, die Operationen bis zum 14. Oktober fortzusetzen.

«Keine Ferien für die Feuerwehr»

Das Hauptproblem sei aber, dass die Märkte nicht glauben, dass die makroökonomische Politik des Vereinigten Königreichs nachhaltig ist, sagt der Ökonom. "Der Markt wird nicht auf der Grundlage von zwei Wochen Käufen stabil bleiben und diese Stabilität wahrscheinlich nicht einmal für zwei Wochen halten können. Es sei denn, man hat das Gefühl, dass damit die Fundamentaldaten repariert werden können", meint er über die britischen Märkte. "Die Hinweise, die wir heute Morgen erhalten haben, deuten nicht darauf hin." Premierministerin Liz Truss hat am Donnerstag eine Kehrtwende bei den grössten Steuersenkungen seit 1972 ausgeschlossen.

Summers, der während der Clinton-Regierung im Finanzministerium tätig und Direktor des Nationalen Wirtschaftsrates unter Präsident Barack Obama war, sagte weiter, dass angesichts der aktuellen Risiken sicherlich nicht die Zeit sei, in der viele Feuerwehrleute Urlaub machen sollten. "Wenn ein grosses Land wie Grossbritannien so etwas durchmacht, kann das Folgen haben, die weit über die Landesgrenzen hinausgehen". Er verglich die finanziellen Probleme mit Erschütterungen vor einem Erdbeben. Manchmal gingen die Beben vorbei, aber das sei nicht immer der Fall, wie bereits im Jahr 2007 zu beobachten gewesen sei.

(Bloomberg/cash)