cash: Herr Heim, Sie sind Immobilienexperte beim VZ Vermögenszentrum. Der letzte Börsengang an der Schweizer Börse liegt fast ein Jahr zurück. Wieso macht Ledermann Immobilien diesen Schritt ausgerechnet jetzt?

Lorenz Heim: Die Firma möchte sich vermutlich aus der Abhängigkeit der Banken lösen. Denn diese betrachten das Immobiliengeschäft aktuell kritischer als noch vor zwei oder drei Jahren. Ledermann wird sich wohl überlegt haben, dass es einfacher ist, sich das Geld direkt über den Kapitalmarkt zu beschaffen.

Diverse Immobilientitel an der SIX haben seit Jahresbeginn deutlich an Wert verloren. Kommt der Börsengang zum richtigen Zeitpunkt oder ist es schon zu spät?

Die Umstände werden bestimmt nicht besser. Im Gegenteil, die Luft wird eher dünner. Gerade im aktuellen Umfeld von tendenziell steigenden Zinsen sind die Investoren wieder vorsichtiger als vor einem oder zwei Jahren, als alles gekauft wurde, was mehr als drei Prozent Rendite abwarf. Wahrscheinlich hätte Ledermann mehr Geld einnehmen können, wenn sie ein, zwei Jahre früher an die Börse gegangen wären.

Ist es nicht ein Anzeichen für eine Überhitzung auf dem Immobilienmarkt, dass Ledermann den IPO doch noch wagt?

Nein, das glaube ich nicht. Das Quartier Seefeld in Zürich läuft nach wie vor gut. Ich kann mir eher vorstellen, dass die Banken dem Unternehmen Limiten aufgezeigt haben. Die Banken bewerten zurzeit die Renditeobjekte konservativer als der Markt. Das hat gewisse Einschränkungen zur Folge. Zum Beispiel ist eine hohe Fremdfinanzierung nicht mehr so einfach möglich wie auch schon. Der Börsengang eröffnet diesbezüglich neue Handlungsspielräume.

Wir befinden uns also nicht in einer Immobilienblase?

Wir haben an vielen Orten sehr hohe Preise, und ich schliesse einen Preisrückgang nicht aus. Damit würde aber keine Blase platzen, sondern der Markt würde sich auch mal nach unten bewegen, was eigentlich normal ist. Zu einem grossen Verkaufsdruck dürfte es dadurch nicht kommen, denn die Leute wohnen ja in den Immobilien und sind zufrieden damit. Zudem geht es der Wirtschaft gut. Ich stelle hingegen klar infrage, ob weiterhin deutliche Preissteigerungen möglich sind.

Sind die anvisierten 130 Millionen Franken Emissionserlös von Ledermann denn realistisch?

Die in den Medien genannte Nettorendite von 3,3 Prozent bei einer Fremdfinanzierung von 70 Prozent ist nicht sehr hoch. Profis streben eine Rendite zwischen 4 und 4,5 Prozent an, möchten keine zu stark fremdfinanzierten Portfolios und legen auch Wert auf eine gewisse regionale Diversifizierung. Somit dürften diese Aktien eher als Ergänzung zu bestehenden Engagements in Immobilien zugekauft werden.

Aktionäre werden hohe Renditen sehen wollen. Treibt das die Mieten der Ledermann-Immobilien noch mehr in die Höhe?

Wenn man sich die Stimmen der Mieter anhört, sind die Mieten offenbar bereits optimiert. Im Gegenteil, mit dem für die Mietzinsgestaltung massgebenden tieferen Referenzzinssatz sind die Mieten eher im Sinken begriffen. Und das dürfte auch bei Ledermann schlussendlich die Erträge schmälern.

Die «Seefeldisierung» in Zürich wurde schweizweit zum Synonym für Gentrifizierung. Hat Ledermann überhaupt genug Kredit für einen Börsenerfolg?

Ich glaube schon. Aber ich sehe zwei Klumpenrisiken. Einerseits die Fokussierung auf weitgehend ein Quartier, das Zürcher Seefeld. Andererseits bleibt der Einfluss der Aktionäre sehr gering. Denn Inhaber Urs Ledermann wird seine Mehrheit nicht abgeben. Die Anleger können also bloss partizipieren und hoffen, dass Urs Ledermann weiterhin die richtigen Entscheidungen fällt.