Aus Sicht von Lettlands Notenbankchef Martins Kazaks ist es für eine Diskussion über eine weitere Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) noch zu früh. Die Inflation in der Euro-Zone könne sich als hartnäckiger erweisen als gedacht, sagte das EZB-Ratsmitglied am Donnerstag in einem Interview der Nachrichtenagentur Reuters. Die EZB hatte von Juni 2024 bis Juni 2025 im Zuge einer nachlassenden Inflation die Leitzinsen insgesamt achtmal gesenkt - auf das Niveau von 2,0 Prozent. Seitdem hält sie den Schlüsselzins aber stabil. «Angesichts der bisherigen Daten halte ich die Zeit für eine Diskussion über eine Zinssenkung nicht für reif», sagte Kazaks mit Blick auf die nächste EZB-Sitzung am 18. Dezember.
Die Kerninflation, in der beispielsweise die schwankungsreichen Energiepreise ausgeklammert bleiben, liege weiterhin deutlich über dem Ziel von zwei Prozent, und es bestünden Risiken für die Inflationsentwicklung in beide Richtungen, sagte Kazaks. Die EZB-Währungshüter werden zu ihrer Dezember-Sitzung neue Inflationsprognosen der Notenbank-Volkswirte für die kommenden drei Jahre erhalten. Kazaks betonte, die Prognosen für 2026 und 2027 seien wichtiger als die erste Schätzung für 2028.
«Natürlich müssen wir erst die neuen Projektionen abwarten, und ich würde den Schwerpunkt auf 2026 und 2027 legen, denn die Geldpolitik wirkt mit einer Verzögerung von ein bis zwei Jahren», sagte er. «Eine Prognose für einen Zeitraum von drei Jahren ist mit einer grossen Unsicherheitsspanne behaftet, insbesondere bei dem derzeitigen Mass an Ungewissheit.» Die jüngsten Prognosen der EZB vom September sahen die Inflation 2026 bei 1,7 Prozent und bei 1,9 Prozent im Jahr 2027.
Kazaks räumte ein, dass die wahrscheinliche Verschiebung des EU-Emissionshandelssystems ETS2 die Inflation dämpfen würde. Er und seine Kollegen müssten jedoch auch «weiterhin die Kerninflation im Auge behalten, die deutlich über zwei Prozent liegt». Risiken für eine niedrigere Teuerung wie ETS2, ein Dumping chinesischer Waren auf dem europäischen Markt oder eine mögliche Aufwertung des Euro seien «viel besser bekannt». Gefahren für einen Anstieg der Teuerungsrate wie eine zunehmende Zersplitterung des Welthandels dürften jedoch nicht ausser Acht gelassen werden.
(Reuters)
