Flugzeugbauer und Flottenbetreiber feiern auf der Luftfahrtmesse in Le Bourget bei Paris diese Woche die Rückkehr zur Normalität. Doch die Milliardendeals täuschen über das Problem hinweg, das in den vergangenen beiden Jahren in den Chefetagen der Branche an erster Stelle stand: Die langen und immer noch schwer kalkulierbaren Lieferzeiten für all die Teile eines Flugzeugs. Airbus-Chef Guillaume Faury und andere Spitzenmanager sehen zwar erste Hoffnungsschimmer. In der Branche wächst aber die Erkenntnis, dass es noch Jahre dauern könnte, bis sich die Lieferketten wieder normalisiert haben.

Die Pandemie habe einen Tsunami in der Lieferkette erzeugt, verdeutlicht der Chef des Triebwerksbauers CFM, Gael Meheust, die Dramatik der Situation. "Die gute Nachricht ist, dass der Luftverkehr wieder läuft", sagte er vor dem Beginn der Paris Air Show. Insidern zufolge sind derzeit unter anderem Wetter-Radarsysteme für Kurzstreckenflugzeuge knapp, während sich die Versorgung mit anderen Elektroteilen wieder verbessert. Aber viele Unternehmen in der Branche haben in der Hochzeit der Pandemie Mitarbeiter entlassen, die nun bitter fehlen. Jetzt machen die Inflation und die steigenden Zinsen den Unternehmen zusätzlich zu schaffen.

Problem liegt tief in der Lieferkette

Vor allem kleine Firmen, die nur wenige Teile produzieren, haben Schwierigkeiten, in den Ausbau ihrer Werke zu investieren. "Das Problem liegt tief unten in der Lieferkette, die Firmen an dritter Stelle oder sogar noch weiter unten", sagt Andy Cornon, Chef des Flugzeug-Leasingunternehmens Avolon. Schwierig dürfte es vor allem für die kapitalintensiven Unternehmen werden, die lange Vorlaufzeiten haben - etwa Produzenten von speziellen Metalllegierungen. "Wir bekommen jeden Tag einen Anruf aus der Branche, in dem um Hilfe gebeten wird", sagte Erid Barnardini von der Beratungsgesellschaft AlixPartners.

Viele Firmen reagieren auf die Turbulenzen mit kurzfristigen Lösungen für die jeweils anstehenden Probleme. Prioritätenlisten werden erstellt, die sich Monat für Monat ändern können - alles mit dem Ziel, die Flugzeugproduktion am Laufen zu halten. Doch viele Fachleute gehen davon aus, dass grössere Anpassungen nötig sind, wenn die Lieferkette für höhere Produktionsraten gerüstet werden soll. Grössere Zulieferer holen zunehmend die Fertigung von Vorprodukten wieder in ihre Unternehmen zurück. "Wir schauen stärker darauf, als wir das in den vergangenen 20 Jahren gemacht haben", sagt Mike Madsen, Chef des Zulieferers Honeywell Aerospace.

Mehr Zusammenschlüsse

Und auch eine Konsolidierung in der Branche könnte zur Lösung beitragen. Vor ihrem Zusammenschluss im Februar zu Pursuit Aerospace überschnitt sich das Produktangebot von Whitcraft aus Connecticut und Paradigm Precision nur in einem Teil. Whitcraft profitiert nun von Paradigm-Gusswerken in Tunesien und Paradigm kann Teile bei Whitcraft schmieden lassen. "Wir können einiges von dem, was wir in der Vergangenheit zukaufen mussten, jetzt selbst fertigen", erzählt Pursuit-Chef Doug Folsom von seinen Erfahrungen.

Airbus -Chef Faury, der auch Vorsitzender des französischen Branchenverbandes Gifas ist, sagte, allein seit 2020 habe es fast 80 Fusionen in Frankreich gegeben, die nicht zuletzt die kleinsten Unternehmen der Branche unterstützen sollten. Doch bis sich die Situation nachhaltig bessert, dürfte es noch dauern. M1 Composites Technology, ein Hersteller von Verbundwerkstoffen, hat zwar seine Anlagen in Montreal während der Pandemie deutlich ausgebaut, doch die Schwierigkeiten mit der Teileversorgung sind auch hier zu spüren. "Die Lieferkette kann nicht nur zurück auf das Niveau von 2019 gehen, sie muss besser werden", wünscht sich M1-Präsident Lorenzo Marandola. 

(Reuters)