"Die Zukunft fährt elektrisch": Mit solchen Sprüchen sollen Kunden vom Kauf eines Elektroautos überzeugt werden. Und das ist auch nötig, denn ab 2035 gilt in der EU ein Zulassungsverbot für fossile Verbrennermotoren, in der Schweiz dürfte es einen ähnlichen Zeitplan geben.Die Rahmenbedingungen für die Mobilitätswende sind somit geschaffen, die Autobauer haben ihre Produktionspläne entsprechend angepasst. Doch kann es so einfach gehen? Es gibt da durchaus ein entscheidendes Puzzlesteinchen, das vor grossen Engpässen steht und damit den ganzen Plan ins Wanken bringen könnte: Lithium.
Dieses spezielle Metall ist nicht nur essentiell für den Bau moderner Akkus von Elektroautos, sondern dazu noch selten und schwer zu beschaffen. Und ein normaler Akku mit 90 Kilowattstunden benötigt rund 14 Kilogramm Lithium. Erschwerend kommt hinzu, dass ein nennenswerter Teil der aktuellen Lithium-Versorgung in chinesischer Hand liegt - beispielsweise bezieht die EU ihr Lithium zu 97 Prozent aus dem Reich der Mitte.
China versucht Vorkommen zu sichern
Der in der Vergangenheit nicht immer zuverlässige Handelspartner investiert Milliarden in Ländern Lateinamerikas und Afrikas, um sich weitere Vorkommen zu sichern. Aber nicht alle Länder sind China gegenüber so offen. Im Sommer untersagte beispielsweise die australische Regierung die Übernahme des Lithiumbergbauers Alita Resources durch ein Unternehmen mit Verbindungen nach China.
Zu Jahresbeginn wurde der chinesische Yuxiao Fund an einer Erhöhung seines Anteils am Selten Erden-Bergbauer Northern Minerals gehindert. Und Kanada zwang sogar drei Unternehmen aus der Volksrepublik zum Verkauf ihrer Beteiligungen an Unternehmen mit Bezug zu kritischen Rohstoffen.
Das Land, das weltweit über die grössten Reserven von Lithium verfügt, ist Chile mit geschätzt über 9 Millionen Tonnen. Es folgen Australien (5,7 Millionen Tonnen) und Argentinien (2,7 Millionen Tonnen).
Derzeit laufen allerdings in Chile Bestrebungen für die Verstaatlichung des Abbaus, was zu teils deutlichen Preisschwankungen führte. Seit dem Sommer sacken die Preise deutlich ab, zum ersten Mal seit September 2021 fiel der Preis für Lithiumcarbonat pro Tonne in China - dem weltweit grössten Markt für Elektrofahrzeuge - unter 165'000 Yuan (gut 20'000 Franken). Vor etwa einem Jahr wurden noch rund 600'000 Yuan (knapp 74'000 Franken) bezahlt.
Bedarf steigt stark
Der Preisverfall dürfte aber wohl künftig ein Ende haben, denn der Bedarf an dem Metall wie auch weiteren sogenannten Seltenen Erden wird deutlich steigen. Nach Berechnungen der EU-Kommission wird sich die Menge an benötigtem Lithium allein in der EU bis 2030 mehr als verfünffachen. Auch der weltweite Bedarf ist gigantisch: So schätzt die Europäische Rohstoffallianz (ERMA), dass bis 2030 jährlich bis zu 70'000 Tonnen Seltene Erden allein für den Bau von Elektroautos benötigt würden - 2019 lag der Bedarf noch bei 5000 Tonnen.
Und auch andere Branchen verwenden das "weisse Gold". Die EU selbst baut bislang keines dieser Materialien ab und ist damit vollständig von Importen abhängig. Zwar gibt es neben den Lithium-Ionen-Akkus auch Lithium-Eisenphosphat- Akkus, die mit deutlich weniger Lithium auskommen. Sie sind auch kostengünstiger, weisen allerdings eine geringere Energiedichte auf und bieten entsprechend weniger Reichweite.
Natürlich wird auch an anderen Akku-Formen getüftelt, wie beispielsweise der Natrium-Ionen-Batterie des schwedischen Unternehmens Northvolt, die ganz ohne das seltene Metall auskommt. Marktreif und vor allem für die Massenproduktion tauglich ist die Technologie allerdings noch nicht. Daher bleiben der Industrie derzeit nur Batterien, die auf Lithium zurückgreifen.
Der erwartete Bedarf kann aber durch die aktuell erschlossenen Vorkommen nicht gedeckt werden. So rechnet die Internationale Energie Agentur (IEA) vor, dass weltweit etwa 60 zusätzliche Lithium-Minen bis 2030 benötigt würden, um die Dekarbonisierungs- und E-Auto-Ziele der Regierungen zu erfüllen.
Das Problem dabei ist die lange Zeit, bis es ein Lithium-Projekt von der ersten Machbarkeitsstudie zur tatsächlichen Produktion schafft. Derzeit vergehen dafür laut IEA zwischen 6 und 19 Jahre. Unterm Strich wird die Elektromobilität wohl trotz aller Herausforderungen, wie es so schön heisst, "alternativlos" sein. Der Weg dahin könnte allerdings deutlich holpriger verlaufen, als sich das viele wünschen.