Als sie 15 Jahre alt war, entwarf Justine Guiblain eine Uhr für den Uhrenhersteller Corum. Ihre Zeichnung wies ein Zifferblatt auf, das sich gegen den Uhrzeigersinn bewegt, und auf dem Uhrenglas sowie auf dem Armband waren die Worte "le monde tourne à l’envers" (die Welt steht Kopf), eingraviert sind. Das trifft seltsamerweise die aktuelle Lage genau: Nachdem die Kunden jahrelang in Scharen wegen der eleganten Handwerkskunst kamen, umwerben Schweizer Uhrenmacher nun notorisch wankelmütige Teenager, um in einer unsicheren Zukunft zu überleben.

"Ich werde in Zukunft Schweizer Uhren kaufen, wenn ich die Mittel dazu habe", sagt die mittlerweile 16-jährige Guiblain, die ein oder zwei Uhren besitzt, diese aber nicht mehr so ​​oft trägt wie früher. Guiblain gibt zu, dass sie nicht viel über Uhren wusste, bevor sie einen Wettbewerb von Schülern der 10. und 11. Klasse vom Collège Numa-Droz gewann, einer Schule in La Chaux-de-Fonds.

Das ist genau die Veränderung, die von den Herstellern der weltweit begehrtesten handgefertigten Analoguhren nach zwei Jahren rückläufiger Exporte - dem längsten Absatzeinbruch seit Beginn der Aufzeichnungen - anstreben. Mit der Verbreitung von Smartphones, Smartwatches und Fitness-Bändern, die die Zeit anzeigen, ist es schwer vorherzusagen, ob die heutigen Teenager Tausende von Euro für Schweizer Uhren ausgeben werden, wenn sie es sich leisten können.

Privatschüler als potentielle künftige Konsumenten

Neben Corum sponsort auch Hublot vier Privatschulen, um Jugendliche zu erreichen, deren Eltern jährlich ein Schulgeld von etwa 30'000 Schweizer Franken zahlen. Die Uhren von Hublot - die durchschnittliche Armbanduhr kostet mehr als ein halbes Jahr Schulgeld - hängen im Empfangsbereich und der Sporthalle des Collège du Léman bei Genf. Hublot entwirft sogar Uhren mit dem Logo der Institution.

"Dahinter steht die Idee, Geschichten rund um Hublot zu weben, so dass die Marke erstrebenswert wird", sagt Chief Executive Officer Ricardo Guadalupe. "Da sie auf Privatschulen gehen, gehören sie bereits zu potentiellen zukünftigen Konsumenten."

Früh zu beginnen ist der Schlüssel, da die heutigen Teens zu den widerspenstigsten Käufern in der modernen Geschichte gehören. Als Teil einer Gruppe, die sich Post-Millennials nennt, kaufen sie gerne online zum Verdruss von stationären Händlern und verbringen viel Zeit in sozialen Medien.

Sie mögen eine hart zu knackende Gruppe sein, aber die Schweizer Uhrenhersteller haben keine grosse Wahl, nachdem sie viele Jahre lang die so genannte Millennium-Generation vernachlässigt hatten, also die 22- bis 37-Jährigen, von denen weniger als ein Drittel jeden Tag eine Uhr trägt.

Wegen Luxusuhren in China

Lange Zeit spielte das keine Rolle, da die Branche von der boomenden chinesischen Nachfrage profitierte. Aber nachdem China der Korruption den Kampf angesagt hat, fielen die Verkaufszahlen der teuren Armbanduhren, die oft als Geschenke an Geschäftsleute und Politiker gereicht wurden, mit dem Hintergedanken, sich Vorteile zu verschaffen. Zudem hielten Terroranschläge in Europa chinesische Touristen fern, was den Rückgang verschärfte.

"Die Uhrenindustrie war ein bisschen selbstgefällig, eine neue Konsumentengeneration zu erschliessen, da sie eine Armee von eifrigen neuen Verbrauchern aus China vor sich hatte", sagt Luca Solca, Analyst für Luxusgüter für Exane BNP Paribas. "Sie haben aus ihrem Fehler gelernt, sich zu spät um Millennials gekümmert zu haben."

Um das Versäumnis nachzuholen, haben diverse Uhrenmanufakturen die sozialen Medien überflutet: Patek Philippe hat im März ein Konto auf Instagram eröffnet, IWC Schaffhausen und Audemars Piguet haben sich der chinesischen Messaging- und Social-Media-App WeChat angeschlossen.

Apple als Konkurrent

Die Uhrenhersteller haben auch weniger teure mechanische Zeitmesser eingeführt und ihre Online-Verkaufsplattformen verbessert. Manche, darunter TAG Heuer, entwerfen Smartwatches, um mit Apple zu konkurrieren. Sogar ihre neuesten Markenbotschafter sprechen das jüngere Publikum an: TAG Heuer nahm den australischen Schauspieler Chris Hemsworth unter Vertrag, Tudor engagierte Lady Gaga und Montblanc entschied sich für den chinesischen Schauspielerschwarm Yang Yang.

Die Schulen scheinen nichts gegen das wachsende Firmensponsoring zu haben.

"Einige Privatschulen in der Schweiz sind sehr stolz auf dieses Erbe und stolz darauf, die Schweizer Tradition von Zeit und Präzision voranzubringen", sagt Cedric Antonio, Marketingleiter am Collège du Léman.

Schüler dort haben die Chance, Praktika bei Hublots französischem Mutterkonzern LVMH zu erhalten, der Luxusgüter wie Louis-Vuitton-Handtaschen herstellt. Das Collège du Léman hatte in der Vergangenheit ähnliche Kooperationen mit Audemars Piguet und Cartier, sagt Antonio.

Bald Führungen für Kinder

Während die Uhrenhersteller versuchen, sich einerseits mit dem Zeitgeist zu verändern und andererseits ein gewisses Mass an Exklusivität zu bewahren, sollten sie sich jedoch vor zu aggressivem Marketing hüten, sagt John Guy, Leiter Luxus- und Sportartikel bei der MainFirst Bank AG in London. "Sie müssen darauf achten, ihre Produkte nicht einem unreifen Verbraucher aufzudrängen und die Marke für bestehende Kunden zu verwässern", sagt er.

Einige versuchen es auf subtile Art. Zenith, Uhrenhersteller seit 1865, hat vor kurzem begonnen, seine Fabrik in Le Locle in der Westschweiz einmal in der Woche für Führungen zu öffnen, damit das Publikum die Kunstfertigkeit klassischer mechanischer Uhren sehen kann, die durchschnittlich 9000 Franken kosteten.

Laut CEO Julien Tornare werden ausserdem Führungen für Kinder hinzukommen. "Obwohl die Kinder heute weit davon entfernt sind, eine Zielgruppe zu sein, gibt es einige berühmte Marken, von denen sie wissen, dass sie Erfolg repräsentieren", sagt er.

(Bloomberg)