Kritiker stören sich vor allem an der Machtfülle von Direktoriumspräsident Thomas Jordan und der mangelnden Transparenz. "Mit der gegenwärtigen Zusammensetzung des Direktoriums der Schweizerischen Nationalbank befürchte ich eine starke Machtkonzentration in wenigen Händen und eine zu mächtige Rolle des Präsidenten", erklärt die sozialdemokratische Parlamentsabgeordnete Celine Widmer. Die SNB hält am Freitag ihre Aktionärsversammlung ab.

Gleich mehrere Punkten bieten den Kritikern Angriffsfläche. So hat der jahrelange Kampf der SNB gegen die wirtschaftsschädliche Aufwertung des in Krisenzeiten als sicherer Hafen gefragten Franken dazu geführt, dass sie eine Bilanzsumme von fast 900 Milliarden Franken angehäuft hat; das entspricht 113 Prozent der Schweizer Wirtschaftsleistung.

Die SNB spielte zudem eine tragende Rolle bei der von der Regierung orchestrierten Rettungsaktion für die Grossbank Credit Suisse. Sie stellt 250 Milliarden Franken Liquiditätshilfen bereit, um die Übernahme des taumelnden Instituts durch den Rivalen UBS zu unterstützen.

Fragen zur Governance der Notenbank haben auch durch die Suche nach einer Nachfolge für Direktoriumsmitglied Andrea Maechler neue Brisanz erhalten. Die erste Frau im SNB-Direktorium scheidet Ende Juni aus und es werden Forderungen laut, für den Posten eine unabhängige Kandidatin zu nominieren. Vergangenes Jahr war der Nachfolger für den langjährigen SNB-Direktor und Vizepräsidenten Fritz Zurbrügg aus den eigenen Reihen gekommen.

Martin Schlegel wurde zudem gleich zu Jordans Stellvertreter ernannt, womit Maechler übergangen wurde. SNB-Direktoriumsmitglieder werden vom Bankrat, dem Aufsichtsgremium der Zentralbank, nominiert und auf dessen Vorschlag hin von der Regierung ernannt. In dem elfköpfigen Rat sitzen neben Wirtschaftsvertretern auch Politiker und Wissenschafter.

Entscheidung hinter verschlossener Türen

Seit seinem Amtsantritt 2012 hat Jordan der Zentralbank seinen Stempel aufgedrückt. Das von ihm geleitete dreiköpfige Direktorium ist sehr viel kleiner als die Entscheidungsgremien etwa der Europäischen Zentralbank (EZB) oder der US-Notenbank Fed.

Widmer setzte eine Fragezeichen hinter den Auswahlprozess für die Nachfolge Maechlers und bemängelte, dass die Rolle der SNB bei der Rettung der Credit Suisse und bei der zukünftigen Bankenregulierung zu wenig hinterfragt werde. Die Abgeordnete sprach sich zudem für eine Erweiterung des Direktoriums auf fünf oder sieben Mitglieder aus.

Widmers Forderungen finden auch bei anderen Parteien Zuspruch. "Wahrscheinlich wäre es eine gute Idee, das Direktorium auf fünf von drei Mitgliedern zu erweitern", sagt der FDP-Abgeordnete Christian Luscher. Gerhard Andrey von den Grünen weist darauf hin, dass sich die Führungsorganisation seit 100 Jahren kaum verändert habe. "Obwohl die SNB bei der Stabilisierung von Preisen und Inflation einen ziemlich guten Job gemacht hat, muss sie sich weiterentwickeln und vielfältiger werden, um die kommenden Herausforderungen zu bewältigen."

Eine Erweiterung des SNB-Direktoriums müsste vom Schweizer Parlament abgesegnet werden. Die SNB erklärte, sie sehe "keinen Vorteil" in der Erweiterung ihres Direktoriums. "Aus Sicht der SNB hat sich diese Organisationsform bewährt, da sie intensive und effiziente Diskussionen mit schnellen Entscheidungen ermöglicht."

Zurückhaltende Nationalbank hat Tradition

Im Vergleich zu anderen grossen Notenbanken ist die SNB verschlossen. Zwar treffen sich die SNB-Direktoren regelmässig zu einem Austausch mit Ministern und Ausschüssen, doch das findet hinter verschlossenen Türen statt. Auch veröffentlicht die Notenbank keine Protokolle ihrer Entscheidungen. Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, erläutert dagegen regelmässig in öffentlicher Sitzung vor dem Europäischen Parlament die Politik der Zentralbank. Zudem veröffentlicht die EZB Berichte über die internen Diskussionen, aus denen auch Meinungsverschiedenheiten hervorgehen. Auch die Bank von England veröffentlicht ausführliche Protokolle ihrer geldpolitischen Diskussionen. Ihre Entscheidungsträger werden von parlamentarischen Ausschüssen in die Zange genommen.

Rückendeckung erhält die SNB von Hannes Germann, einem Abgeordneten der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei. Einige der diskutierten Reformen könnten die Notenbank seiner Ansicht nach anfälliger für externe Einflüsse machen. "Eine Vergrösserung des Direktoriums birgt das Risiko ... einer geringeren Unabhängigkeit des Direktoriums gegenüber der Politik", sagte Germann. "Weniger unabhängige Zentralbanken führen in der Regel langfristig zu höheren Inflationsraten."

Anders sieht das eine Gruppe von Ökonomen, die im vergangenen Jahr in einem Vorstoss mehr Transparenz von der SNB forderte. Sie erachten eine Vergrösserung des Direktoriums als notwendig. Laut Yvan Lengwiler, Professor an der Universität Basel, gibt es zu viele SNB-Spitzenkräfte, die ihr gesamtes Arbeitsleben bei der Zentralbank verbringen. Dies sei im Fall von Jordan und seinem Stellvertreter Schlegel besonders riskant. "Sie sind beide hochkompetent", sagte Lengwiler. "Aber es ist eine Blase, sie kennen nichts anderes." Er hält eine Amtszeitbeschränkung für dringend nötig.

(Reuters)