Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat den erst am Montag zurückgetretenen Politiker Sebastien Lecornu erneut zum Premierminister ernannt. Der 39-Jährige sei mit der Bildung einer Regierung beauftragt worden, teilte der Elysee-Palast am Freitagabend mit.
«Ich nehme aus Pflichtgefühl den Auftrag an, den der Präsident der Republik mir anvertraut hat», schrieb Lecornu auf X. Er werde alles dafür tun, dass Frankreich bis zum Jahresende einen Haushalt habe. Tatsächlich dürfte seine erste Aufgabe sein, dem Parlament bis Montagabend einen Etatentwurf vorzulegen. Die rechtspopulistische Partei Rassemblement National (RN) kündigte umgehend an, die Regierung Lecornus zu Fall bringen zu wollen.
Macron liess seine Entscheidung am Freitagabend kurz nach Ablauf seiner selbst gesetzten Frist von 48 Stunden verkünden, die Spannung in Politik und Medien war gross. Der französische Präsident ist direkt gewählt und hat das Recht, einen Premierminister oder eine Premierministerin zu bestimmen.
Lecornu war der fünfte und ist nun der sechste Premierminister in weniger als zwei Jahren. Der Politiker der Partei Renaissance war am Montag nach nur 27 Tagen im Amt und wenige Stunden nach Vorstellung seines Regierungsteams als Premier zurückgetreten.
Lecornu hatte eigentlich signalisiert, das Amt des Regierungschefs nicht noch einmal anzustreben. An Beratungen Macrons mit Spitzenpolitikern im Elysee-Palast am Freitagnachmittag hatte der frühere Verteidigungsminister nicht teilgenommen.
Lecornu: Krise zermürbt die Franzosen
«Wir müssen dieser politischen Krise, die die Franzosen zermürbt, und dieser Instabilität, die dem Ansehen und den Interessen Frankreichs schadet, ein Ende setzen», erklärte Lecornu. Niemand komme darum herum, die Staatsfinanzen zu sanieren. Dies habe Priorität.
Er werde die alltäglichen Probleme der Franzosen angehen, versprach der Macron-Vertraute aber auch. Mit seinem Rücktritt am Montag hatte sich die politische Krise in Paris noch einmal verschärft. Schon mehreren Minderheitsregierungen war es nicht gelungen, einen Sparhaushalt durch die tief gespaltene Nationalversammlung zu bringen.
Mit der erneuten Ernennung Lecornus riskiert Macron, noch mehr Zorn seiner politischen Gegner auf sich zu ziehen. Diese hatten als Ausweg aus der tiefsten politischen Krise des Landes seit Jahrzehnten vorgezogene Parlamentswahlen oder einen Rücktritt des 47-jährigen Staatschefs gefordert.
Widerstand kam nicht nur von rechts, als RN-Chef Jordan Bardella unmittelbar nach Lecornus Ernennung ankündigte, die noch gar nicht gebildete Regierung stürzen zu wollen. Bereits zuvor hatten die Sozialisten signalisiert, dass es bei der erneuten Ernennung eines Regierungschefs aus Macrons Lager Probleme geben werde. Parteichef Olivier Faure schloss nicht aus, dass seine Partei auch die Regierung eines nächsten Premierministers zu Fall bringen werde. Faure hatte zuvor gesagt, seine Partei wolle die nächste Regierung anführen.
Insider: Macron erwägt Aufschub der Rentenreform
Bereits seit Macrons Wiederwahl 2022 herrscht in Frankreich politische Instabilität, die der Präsident mit der von ihm 2024 angesetzten vorgezogenen Parlamentswahl weiter verstärkte: Seither ist die Nationalversammlung noch stärker zersplittert.
Gestritten wird vor allem über das reguläre Renteneintrittsalter, das um zwei Jahre auf 64 angehoben werden soll. Aus dem Umfeld des Präsidenten verlautete am Freitag, Macron erwäge, die Rentenreform zu verschieben - möglicherweise bis nach den nächsten Präsidentschaftswahlen 2027. Den Linken reichte dieses angedeutete Zugeständnis jedoch nicht aus.
Darüber hinaus muss im Haushaltsstreit schnell eine Lösung für das hoch verschuldete Euroland gefunden werden. Auch eine von den oppositionellen Sozialisten geforderte Vermögenssteuer sorgt für Diskussionen.
Vor Lecornu war Macrons vierter Premierminister Francois Bayrou im Streit über den Haushalt an einer Vertrauensabstimmung gescheitert. Der Sturz einer weiteren Regierung würde die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen erhöhen, die vor allem der extremen Rechten Zulauf bringen dürften.
(Reuters)