Die Aussicht auf tiefere Zinsen in Europa und den USA macht auch der Schweizerischen Nationalbank (SNB) zu schaffen: Der Franken hat deutlich an Stärke gewonnen. In den letzten 52 Wochen hat er sich zum Euro um über 5 Prozent aufgewertet. der Euro-Franken-Kurs fiel in diesem Zeitraum von über 1,16 auf zwischenzeitlich unter 1,10.

Doch die Europäische Zentralbank (EZB) hat nun mit ihrem Zinsentscheid vom Donnerstag für leichte Entlastung beim Franken gesorgt. Der Euro-Franken- Kurs ist wieder auf über 1,10 angestiegen. 

"Die SNB wird nach dem EZB-Entscheid sehr erleichtert gewesen sein", sagt Marc Brütsch, Chefökonom von Swiss Life Asset Managers, im cash-Börsen-Talk. Bei einer Zinssenkung wäre der Druck auf die SNB zum Nachziehen sehr stark geworden. "Jetzt können wir etwas durchschnaufen."

Konkret hat die EZB an ihrer Sitzung vom Donnerstag beschlossen, die Zinssätze unverändert zu lassen. Die Währungshüter deuteten in ihrem neuen Ausblick aber auch die Möglichkeit noch tieferer Schlüsselzinsen bis Mitte 2020 an. Zudem stellt EZB-Präsident Mario Draghi eine "signifikante" Lockerung der Geldpolitik in Aussicht (cash berichtete).

Was wird die SNB tun?

Nur ist ein EZB-Zinsschritt nach unten nicht aufgehoben, sondern allenfalls eher aufgeschoben. Am 12. September findet bereits die nächste Zinssitzung der EZB statt, bei der in Anbetracht der schlechten Konjunkturlage und der ausbleibenden Inflation in Europa eine Senkung sowie ein neues Konjunkturprogramm denkbar wäre.

Wird die SNB also im Herbst dann doch noch zu einer Ausweitung der Negativzinsen gezwungen werden? Gemäss Brütsch hat die Schweizer Notenbank die Marktteilnehmer zumindest darauf vorbereitet, dass die minus 0,75 Prozent nicht das untere Ende bedeuten müssen. "Die SNB wird aber alles tun, um nicht weiter an der Zinsschraube drehen zu müssen", so der Ökonom. Interventionen am Devisenmarkt blieben weiterhin die erste Wahl.

Bis Jahresende geht Swiss Life Asset Managers von einem Euro-Franken-Kurs von 1,10 aus - also ungefähr auf dem jetzigen Niveau. Dabei werde sich die Konjunktur nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Schweiz eintrüben, was den Franken in etwa stabil halten soll.

Im Video-Interview sagt Marc Brütsch auch, was er von Mario Draghis letztem Auftritt im September erwartet, wie es mit der US-Geldpolitik weitergeht und ob Aktienmärkte noch weiter Luft nach oben haben. Zudem äussert er sich skeptisch zum Zustand des Finanzsystems.