Börsianer sprechen davon, wenn die Kurse um mehr als 20 Prozent unter ihrem davor erreichten Höhepunkt liegen. Trotz der Erholung vom Freitag ist das der Fall: Der Dax hat seit seinem Rekordhoch fast 30 Prozent an Wert verloren. Beim Dow Jones, S&P 500 und Nikkei beträgt das Minus jeweils mehr als ein Viertel. "Das ist eine gehörige Korrektur. Den Grossteil des Weges haben wir mit hoher Wahrscheinlichkeit aber hinter uns", sagte Robert Greil, Chefstratege beim Bankhaus Merck Finck.

Am deutschen Aktienmarkt ging es noch nie so schnell abwärts: Erst am 19. Februar hatte der Dax sein Rekordhoch bei 13'789 Punkten markiert. Damit hat er sich gerade einmal gut drei Wochen Zeit gelassen für seinen bisherigen Absturz. Zum Vergleich: Nach dem Kollaps des Neuen Marktes zu Beginn des Jahrtausends, gefolgt von den Anschlägen am 11. September 2001, hat der Dax insgesamt gut 70 Prozent an Wert verloren - sich dafür aber auch ziemlich genau drei Jahre Zeit gelassen.

Und zur Finanzkrise 2008 lagen zwischen dem Hoch im Dezember 2007 und dem Tiefpunkt im März 2009 immerhin noch eineinviertel Jahre. Experten bezweifeln jedoch, dass jetzt schon der Tiefpunkt erreicht ist: Die Hysterie in der Bevölkerung werde weiter steigen, sagte Mark Dowding, Chefinvestor bei der Fondsgesellschaft BlueBay. "Da die Finanzmärkte immer versuchen, künftige Entwicklungen abzuschätzen und sich auf diese einzustellen, glauben wir, dass der Höhepunkt des aktuellen Ausverkaufs in den nächsten Wochen erreicht werden könnte."

Deutsche Standardwerte sind klar unterbewertet

Christian Kahler, Chefstratege der DZ Bank, sagt, in der Vergangenheit seien die Aktienkurse in einer Rezession meist unter den Buchwert des Unternehmens gefallen. Derzeit liege der Buchwert des Dax bei etwa 8100 Punkten. "Es ist also durchaus denkbar, dass die Aktienmärkte in den kommenden Wochen noch weiter zurücksetzen werden und erst im April oder Mai ihr Tief im Bereich, umgerechnet auf den DAX, zwischen 8000 und 9000 Punkten finden werden."

Nach dem Ausverkauf sind Aktien gemessen an den Gewinnerwartungen inzwischen immerhin deutlich günstiger: Die Experten der Helaba berechnen für den Dax inzwischen ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,2, das sei deutlich weniger als der langjährige Mittelwert. "Auf dem aktuellen Niveau sind deutsche Standardwerte derzeit klar unterbewertet, auch wenn es zu berücksichtigen gilt, dass die Schätzungen für die Unternehmensgewinne der kommenden zwölf Monate derzeit vermutlich deutlich zu hoch angesetzt sind", schrieb Helaba-Experte Markus Reinwand. Das biete durchaus Chancen: "Die Kombination aus niedriger Bewertung und ausgeprägter Angst hat sich in der Vergangenheit meist als günstiger Einstiegszeitpunkt erwiesen."

Voraussetzung für eine echte Erholung seien aber primär positive Nachrichten zum Coronavirus, sagte Greil - seien es rückläufige Infektionszahlen, wirksame Medikamente oder Impfungen. "Dafür braucht es mehr als staatliche Massnahmen oder Notenbankmassnahmen. Die Anleger müssen vielmehr Licht am Ende des Virustunnels sehen." Sobald hier realistische Hoffnungsschimmer in Sicht seien, könne es sehr schnell nach oben gehen. 

(Reuters)