Die Banken haben zwar Regeln zum hybriden Arbeiten eingeführt, doch die Büropräsenz bleibt weltweit hinter den Erwartungen zurück, wie Studien und Gespräche mit Branchenexperten zeigen. Steigende Sprit- und Lebensmittelpreise halten viele Arbeitnehmer davon ab, in ihre Büros zurückzukehren.

Eine globale Umfrage von Advanced Workplace Associates (AWA) unter knapp 80'000 Beschäftigten ergab, dass Arbeitnehmer sich nicht wirklich an die Regeln des hybriden Arbeitens halten. Wenn Arbeitgeber zwei Präsenztage vorgäben, kämen Beschäftigte nur 1,1 Tage ins Büro. Bei geforderten zwei bis drei Präsenztagen seien es 1,6 Tage, bei vorgegebenen drei Bürotagen nur 2,1 Tage Anwesenheit.

"Als wir aus den Lockdowns herauskamen und die Corona-Regeln gelockert wurden, kamen die Mitarbeiter zurück in die Büros", beschreibt AWA-Geschäftsführer Andrew Mason die Lage. "Doch da fanden sie sich nur noch im Video-Calls wieder." Die Menschen hätten sich an den Lebensstil und die geänderte Kostenstruktur gewöhnt. Auch Job-Sucher favorisierten die mobile Arbeit. Beim globalen Vermittlungsportal Flexa gaben seit Anfang August 80 Prozent der Arbeitssuchenden in der Finanzindustrie "remote" oder "remote-first" als Präferenz in ihrer Suche auf der Plattform an. Das waren 33 Prozent mehr als im März.

«Wir betrachten das Büro mehr als Hotel»

Um Kollegen wieder in die Firmenzentralen zu locken, bieten Finanzinstitute in New York kostenlose Mahlzeiten oder Tischtennis-Platten in den Gemeinschaftsräumen. Ein britisches Trading-Unternehmen fing an, Duschen, Rückzugs- und Wäscheräume für Mitarbeiter einzurichten, die bis in die späten Stunden mit ihren Deals beschäftigt sind, wie Leeson Medhurst, Strategiechef bei Peldon Rose, einer Firma für Bürodesign, erzählt. "Unser Kunde sagte, wir betrachten das Büro mehr als Hotel."

Im Mittelpunkt stünden die Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nicht die Finanzen des Unternehmens. Die britische Bank Aldermore überlegt, einen Concierge-Service anzubieten, der zum Beispiel die Wäsche erledigt - eine Aufgabe, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Homeoffice flexibler handhaben können. Man wolle die Beschäftigten ermutigen, ins Büro zu kommen, aber nicht in Verhaltensweisen von vor der Pandemie zurückfallen, erläutert Bankchef Steven Cooper.

Die grössten Geldinstitute an der Wall Street waren unter den ersten Arbeitgebern, die auf die Rückkehr der Belegschaft bestanden. Beschäftigte bei Goldman Sachs müssen seit Juni 2021 wieder in Vollzeit im Büro arbeiten, bei Morgan Stanley und JPMorgan ist der Grossteil wieder zurück.

Citi einigte sich mit den Beschäftigten auf ein hybrides Modell. "Die Arbeitgeber geben sich Mühe, das Büro attraktiver und zweckmässiger zu machen", sagt Kathryn Wylde, Chefin des Vereins Partnership for New York City, in dem sich fast 300 Unternehmen zusammengeschlossen haben. Doch vor allem die, die weiter draussen wohnten und lange Wege ins Büro hätten, kämen nur widerwillig. Die Investmentbank Jefferies erklärte, man wünsche sich, dass die Mitarbeiter ins Büro kämen und nicht in "einsamen Silos zu Hause" blieben.

Konjunktursorgen könnten Büropräsenz erhöhen

Vor allem Berufsanfänger kommen gerne ins Büro, weil sie so die Zusammenhänge schneller lernen und Networken können. "Junge Leute wissen, dass ihre Karriere von Beziehungen im Büro abhängig sind", sagt New-York-Lobbyistin Wylde.

In Grossbritannien könnten die steigenden Energiepreise und eine zunehmend trübe Konjunktur auch die anderen Beschäftigten schneller zurückholen, als kostenlose Snacks oder andere Anreize, glaubt Chris Gardner, Co-Chef des Baufinanzierers Atelier aus London. "Wenn sich die Lage am Ende des Jahres verschärft, wird auch die Sichtbarkeit im Büro wichtiger." 

(Reuters/cash)