Zwischen April und Juni wurde mit 18,5 Milliarden Kilowattstunden so viel Strom eingeführt wie noch nie in einem Quartal seit Beginn der Zeitreihe 1991, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte. Nach Abzug der Exporte ergibt sich auch der höchste Importüberschuss für diese Zeitspanne von 7,1 Milliarden Kilowattstunden. Das entsprach etwa der Strommenge der drei deutschen Atommeiler im zweiten Quartal 2022 (7,3 Mrd kWh).
Der Branchenverband BDEW wertete den Importsaldo Deutschlands als «Zeichen eines funktionierenden Strombinnenmarktes». Es sei in den vergangenen Monaten häufig günstiger gewesen, Strom im Ausland zu erzeugen und damit auch fossile Stromerzeugung im Inland zu ersetzen. BDEW-Chefin Kerstin Andreae erklärte: «Höhere Stromimporte in den Sommermonaten bedeuten weder eine Abhängigkeit vom europäischen Ausland bei der Stromversorgung noch sind sie eine Indikation für Knappheiten in Deutschland.»
Vor Atomausstieg noch Exportüberschuss
Vor Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke am 15. April hatte es über lange Jahre einen deutlichen Exportüberschuss gegeben. Auch im ersten Halbjahr überstiegen die deutschen Stromexporte die -importe noch. Dass Deutschland im Sommer mehr Strom importiert als exportiert, kam schon früher vor. Auch als noch ein erheblicher Anteil des Stroms aus Atomkraft erzeugt wurde, zeigte sich in den wärmeren Monaten bereits ein Importüberschuss - unter anderem in den Jahren 2010, 2011, 2014, 2019, 2020 und 2021.
Die meisten Importe kamen im ersten Halbjahr 2023 aus den Niederlanden und Frankreich, das seine Produktion von Atomstrom wieder deutlich hochgefahren hat. Zieht man die deutschen Exporte in die jeweiligen Länder ab, sind Dänemark und Norwegen die grössten Lieferanten für Strom, wie die Arbeitsgemeinschaft für Energiebilanzen berechnet hat. Beide Länder haben einen hohen Anteil an erneuerbarer Energie.
Nachfrage und Stromproduktion gehen zurück
Gestiegene Energiepreise und die schleppende Konjunktur haben zu einem Rückgang der benötigten Strommenge im deutschen Netz geführt. Sie lag 6,9 Prozent unter dem Wert des ersten Halbjahres 2022, wie das Statistikamt weiter berichtete. Die inländische Stromproduktion ging sogar um 11,4 Prozent zurück, was durch zusätzliche Importe teils ausgeglichen wurde.
Mit einem Anteil von 53,4 Prozent wurde der Strom in Deutschland mehrheitlich durch erneuerbare Energie erzeugt. Wind war dabei mit Abstand die wichtigste Quelle und kam auf 28,6 Prozent der Gesamtproduktion. Vor einem Jahr hatten sämtliche erneuerbaren Energieträger einen Anteil von 48,4 Prozent erreicht.
Der Anteil des klimaschädlichen Kohlestroms ging um ein knappes Viertel zurück und verringerte seinen Anteil von 31,3 Prozent auf 27,1 Prozent. Dagegen stieg die Bedeutung von Gaskraftwerken, deren Anteil von 11,9 auf 13,9 Prozent wuchs. Sie sollen bei der Energiewende verstärkt die Grundlast liefern, wenn wenig Strom aus Erneuerbaren zur Verfügung steht.
Die Bundesrepublik handelt seit Jahrzehnten im Rahmen des europäischen Energiemarktes mit anderen EU-Staaten in Sachen Strom. Die Zusammenarbeit soll ermöglichen, Geld und Emissionen einzusparen. Das heisst: Strom wird sowohl importiert als auch exportiert - und damit innerhalb des Staatenbundes dorthin weitergereicht, wo er benötigt wird. Es gibt Zeiten, in denen für Deutschland die Elektrizität von den Nachbarn billiger ist als die selbst produzierte. Vor allem Strom aus erneuerbaren Energien wird im Vergleich zur konventionellen Variante immer preiswerter.
(AWP)