Elf Jahre lang arbeitete sich Fabiola Galicia in einer Fabrik für Zierbänder in Ciudad Juarez nach oben - von der Fliessbandarbeiterin zur Managerin mit 30 unterstellten Mitarbeitern. Dann kam Donald Trump und mit ihm die Zölle. Erst wurde Galicia im Juni die Arbeitszeit auf drei Tage pro Woche verkürzt. Dann machte im August ihr Arbeitgeber, die Design Group Americas, das Werk dicht. Galicia und rund 300 weitere Angestellte landeten auf der Strasse.
Ein Vertreter des Unternehmens habe die Schuld bei US-Präsident Trump gesucht, sagte Galicia. «Sie sagten uns, die Zölle hätten das Unternehmen getroffen.» Ihr Schicksal teilen Zehntausende in der mexikanischen Grenzstadt, deren einst boomende Industrie nun in einer tiefen Krise steckt.
Die als Maquiladoras bekannten Montagewerke machen rund 60 Prozent der Arbeitsplätze in der Stadt direkt gegenüber von El Paso im US-Bundesstaat Texas aus. Sie importieren Rohstoffe zumeist zollfrei und exportieren die fertigen Produkte dann in die USA. Jahrzehntelang war die Stadt einer der wichtigsten Produktionsstandorte Mexikos. Zuletzt profitierte sie vom sogenannten Nearshoring, der Verlagerung von Produktion aus Asien in geografisch näher gelegene Länder. Damit wollten Unternehmen die hohen US-Zölle auf chinesische Waren umgehen.
Doch nach Jahren des Booms und der Vollbeschäftigung bauen nun viele Werke Personal ab oder schliessen ganz. Zwischen Juni 2023 und Juni 2025 verlor Ciudad Juarez mehr als 64'000 Fabrikarbeitsplätze. Allein fast 14'000 verschwanden in der ersten Jahreshälfte 2025.
Trumps Handelspolitik ist Experten zufolge der entscheidende Auslöser für die Krise. Zwar können die meisten mexikanischen Exporte zollfrei in die USA eingeführt werden. Für die Automobilindustrie sowie für Produkte wie Stahl, Aluminium und einige Textilien gelten jedoch hohe Abgaben. Maria Teresa Delgado, Vizepräsidentin des Wirtschaftsverbandes Index Juarez, bezeichnete die Lage der Branche als «Krise». Trumps Zölle seien der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sagte sie mit Blick auf die Entlassungswelle.
Hinzu kommen hausgemachte Probleme. So habe ein staatlich verordneter Anstieg des Mindestlohns die Gewinnspannen der Fabriken geschmälert, sagen Delgado und sechs weitere von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Wirtschaftsexperten. Der Mindestlohn in der Nordregion Mexikos ist seit 2019 von 22 Pesos pro Stunde (1,17 Dollar) auf 52,48 Pesos (2,80 Dollar) gestiegen.
Unsicherheit belastet das Geschäftsklima
Die Folgen für die mexikanische Wirtschaft, die stark vom Handel mit den USA abhängt, sind gravierend. Das prognostizierte Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für 2025 ist auf unter ein Prozent gefallen. Die ausländischen Direktinvestitionen in Mexiko fielen im ersten Quartal um 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im Bundesstaat Chihuahua, zu dem Ciudad Juarez gehört, sanken sie im verarbeitenden Gewerbe sogar um 56 Prozent auf 348 Millionen Dollar. «Die Unsicherheit belastet das Geschäftsklima,» sagt Ulises Alejandro Fernandez, Minister für Innovation und wirtschaftliche Entwicklung von Chihuahua. «Unternehmen zögern mit Entscheidungen und neuen Investitionen, bis Klarheit über die Handelspolitik herrscht.»
Einige Firmen ziehen sich bereits aus Ciudad Juarez zurück. Der Autoteilehersteller Lear Corp kündigte an, Produktionslinien nach Honduras zu verlagern, um Kosten zu senken. Der französische Elektronikhersteller Lacroix will seinen Betrieb bis Ende des Jahres einstellen und verwies auf anhaltende Verluste und die unsichere Handelslage. Auch lokale Unternehmer sind betroffen. Thor Salayandia, Präsident des regionalen Unternehmensverbandes, musste in seiner Fabrik für Nägel die Belegschaft von rund 90 Mitarbeitern im Jahr 2023 auf jetzt 20 reduzieren. «Die Kunden sparen Kosten», sagt er. «An einem Tag geben sie eine Bestellung auf, am nächsten nicht mehr.»
(Reuters)