Wenn es gewaltigen Reichtum geht, redet alles über Jeff Bezos: Der Amazon-Gründer wird mit seinen 193 Milliarden Dollar – Stand August 2020 – mehr und mehr zur Symbolfigur für Missverhältnisse in der Weltwirtschaft.

Erstaunlicherweise redet kaum jemand über den Herrn dahinter: Bill Gates. Der taucht zwar mit seinen Engagements und als Pandemie-Warner öfters auf in der öffentlichen Debatte. Doch dass er mit 122 Milliarden Dollar immer noch zweitreichster Mensch der Erde ist, wird inzwischen nur noch schulterzuckend bemerkt.

Letztes Jahr: +17 Milliarden

Selbstverständlich ist dieser zweite Platz nicht. Bill Gates, 64, hat seinen Reichtum bekanntlich als Microsoft-Gründer gemacht – aber dort stieg er bereits vor zwanzig Jahren aus, um sich unter anderem dem Kampf gegen Malaria in Afrika zu widmen. Man schätzt, dass er privat sowie über die Bill & Melinda Gates Foundation seither rund 35 Milliarden Dollar für gute Zwecke ausgegeben hat. Und doch wird er Jahr für Jahr reicher. Im letzten Jahr stieg sein persönliches Vermögen beispielsweise um etwa 17 Milliarden Dollar.

Wie macht er das? Selber verrät er wenig darüber. In einem Interview mit "Bloomberg TV" deutete er vergangenen September an, dass er erstens nicht defensiv ist, also ungern Cash hält. Und dass er zweitens sehr stark auf Aktien setzt: "Die Strategie bei unseren Investments besagt, dass wir über 60 Prozent in Aktien halten."

Damit ist Gates’ Aktienquote deutlich höher als bei anderen Superreichen: Im Schnitt halten die Family Offices dieser Welt etwa 30 Prozent ihrer Werte in Aktien; dies besagt eine Auswertung der UBS.

«Bullish on global businesses»

"I'm bullish on US-businesses and global businesses", so Gates damals. Auch jetzt, nach zehn Jahren mit steigenden Aktien, halte er seine Quote über 60 Prozent durch. Es sei zu schwierig, in den Märkten die Wendepunkte zu entdecken.

Dass er ein schlauer Börsianer ist, hatte Gates früh bewiesen: Kurz vor seinem Ausstieg als Microsoft-CEO verkaufte er Ende 1999 einen Grossteil seiner Aktien – gerade früh genug, um keinen Schaden zu nehmen, als die Dotcom-Blase platzte. Heute besitzt er noch 1,5 Prozent am Software-Konzern. Was immerhin einem Wert fast 25 Milliarden Dollar entspricht.

Eisenbahnen und Reinigung

Sein Privatvermögen verwaltet Gates hauptsächlich über ein Family Office – oder eine Asset-Management-Firma – namens Cascade Investment. Diese wiederum wird seit der Gründung 1994 vom gleichen Manager geleitet, Michael Larson. Sie ist sehr verschwiegen, so dass man einzelne Positionen nur durch allerlei Behörden-Files oder Firmen-Geschäfstberichte eruieren kann. 

Grössere Brocken sind derzeit Aktienbestände von zwei Müllentsorgungsunternehmen – Republic Services (rund 8 Milliarden Dollar) und Waste Management (1,3 Milliarden Dollar) –, ferner bei Canadian National Railway (7,6 Milliarden Dollar), beim Industriereinigungskonzern Ecolab (4,5 Milliarden Dollar) und beim Baumaschinen- und Traktoren-Hersteller John Deere (4,2 Milliarden Dollar).

Vorbild Warren Buffett

Die Liste verrät einen Stil:

  • Bill Gates setzt sein Geld schwergewichtig auf Versorgungs-, Entsorgungs- und Infrastruktur-Bereich.
  • Er glaubt an Titel mit solider Dividendenpolitik, aber wenig Fantasie.
  • Old Economy: Seine Tech-Bedürfnisse scheinen durch die Microsoft-Beteiligung voll abgedeckt.

Dazu passen zwei weitere Gross-Positionen von Cascade: Coca-Cola (knapp 1 Milliarde) und Berkshire Hathaway (gut 1 Milliarde).

Insgesamt zeigt sich, dass Gates letztlich der Philosophie von Warren Buffett folgt, dem Berkshire-Hathaway-Chef und Coke-Grossaktionär. Buffett, Vorbild aller Value-Investoren, ist bekanntlich auch ein guter Freund des Software-Milliardärs aus dem Staate Washington.

Nicht ganz ins Bild passt Gates' Engagement bei der Hotelkette Four Seasons, in die Cascade Investments 2007 gemeinsam mit dem saudischen Milliardär Al-Walid bin Talal 3,8 Milliarden Dollar steckte (entsprechend ist zu vermuten, dass der Software-Milliardär in der aktuellen Lage nicht besonders glücklich ist mit dem Tourismus-Investment). Immer noch besitzen die beiden Milliardäre 95 Prozent an der Luxus-Herbergen-Firma. 

Caterpillar statt John Deere

Auffällig ist, dass die Stiftung von Bill und Melinda Gates ihre Milliarden recht ähnlich anlegt wie Cascade Investments. Den schwersten Brocken bilden hier Berkshire-Hathaway-Aktien im Wert von 7 Milliarden Dollar, aber das ist einfach erklärt: Es sind Schenkungen von Warren Buffett.

Aber auch Beteiligungen an Waste Management (im Umfang von knapp 2 Milliarden Dollar) und Canadian National Railway (für 1,5 Milliarden) finden sich hier; statt dem Schwer-Fahrgerät-Hersteller John Deere berücksichtigt die Stiftung eine ähnliche Marke: Caterpillar (1,4 Milliarden). Und mit der Walmart-Beteiligung (1,4 Milliarden) äussern die Stiftungs-Asset-Manager ein ähnliches Vertrauen in althergebrachte amerikanische Konsumgüter-Schwergewichte wie sonst mit einer Coke-Beteiligung.

3,5 Milliarden mit Givaudan verdient

Geradezu typisch erscheint denn auch ein Gross-Engagement der Gates-Stiftung in der Schweiz: Beim Baustoff-Hersteller Sika hält sie insgesamt 5,3 Prozent, was einem Wert von gut 1,6 Milliarden Dollar entspricht.

Einen besonders grossen Anlageerfolg schaffte Gates bei Givaudan: Hier erfolgte der Einstieg schon im Februar 2011, als noch kaum absehbar war, dass sich der Riechstoffhersteller zu einem Börsenliebling entwickeln würde. Heute ist die Gates Foundation mit einer Beteiligung von 13,9 Prozent der weitaus grösste Aktionär der Genfer Firma. Ihr Anteil ist knapp 5 Milliarden Dollar wert – so dass sie mit dem Engagement seit Februar 2011 fast 3,5 Milliarden verdienen konnte.

Stoff für Verschwörungstheorien

Daneben macht Bill Gates immer wieder durch Engagements in Startups von sich reden. Er war schon früh – 2013 – bei Beyond Meat dabei. Nach dem Börsengang des Fleischersatz-Labors im Frühjahr 2019 stieg die Stiftung dann aber wieder aus.

Eine weitere Gates-Erfolgsstory ist das Engagement bei Vroom, einem Online-Handelsplatz für Autos und Autoteile: Der ging im Juni erfolgreich an die Börse, und bekannt wurde dabei auch, dass Cascade Investments rund 6 Prozent hält. Der Wert dieser Beteiligung kletterte seither auf über 400 Millionen Dollar.

Gewisse Verschwörungstheorien könnte wiederum ein Engagement anheizen, das letzte Woche bekannt wurde: Da meldete die Jiangsu Yuyue Medical Equipment & Supply aus Nanjing in Ostchina (mehr), dass Gates' Cascade Investment 3,5 Millionen Aktien übernommen habe, Kurswert derzeit: Rund 15 Millionen Dollar.

Die Medizinaltechnik-Firma stellt insbesondere Beatmungsgeräte her, wie sie derzeit für die Covid-19-Behandlung dringend benötigt werden.

Fernblick auf das Privatanwesen von Bill Gates in Medina am Lake Washington:

Mit weiterem Material von "Investopedia", "Fintel", "Bloomberg". Dieser Artikel erschien zuerst auf handelszeitung.ch unter dem Titel: "Von Müllabfuhr bis High-Tech: Wie Bill Gates sein Geld anlegt".