Jetzt haben Sorgen um weitere US-Waffenlieferungen und verstärkte russische Angriffe die Diskussionen angeheizt. Am Montag forderte Kanzler Olaf Scholz die 26 EU-Partner ungewohnt offen auf, bis zum Sondergipfel am 1. Februar bei ihrer Militärhilfe Klarheit zu schaffen - die bisherigen Zusagen jedenfalls reichten nicht aus.

Als mittlerweile bester unabhängiger Indikator für die bisherige Hilfe auch der EU-Staaten gilt der «Ukraine Support Tracker», der am Institut für Weltwirtschaft (IfW) unter Leitung von Christoph Trebesch erstellt und regelmässig aktualisiert wird. Derzeit umfasst er mit Datum vom 31. Oktober 2023 Grafiken unter anderem für Zusagen bei der Militärhilfe in absoluten Zahlen und Pro-Kopf-Berechnungen - aber auch den Gesamtüberblick über andere Hilfen und Ausgaben für ukrainische Kriegsflüchtlinge.

Warum geht Scholz in die Offensive

Scholz drängt auf mehr Transparenz und Hilfe, weil US-Präsident Joe Biden im heraufziehenden Präsidentschaftswahlkampf zunehmend Probleme hat, im US-Kongress weitere milliardenschwere Militärlieferungen durchzusetzen. Da ein möglicher russischer Sieg aber vor allem von den EU-Staaten wegen der geografischen Nähe Ängste auslöst, will Scholz mehr Hilfe Europas sichern. Die Bundesregierung hat ihre Waffenhilfe im Haushalt 2024 deshalb von bisher vier auf acht Milliarden Euro verdoppelt. Die Angst wächst, dass die Ukraine bei einer Wiederwahl von Donald Trump als Präsident ganz auf die EU angewiesen sein könnte.

Wer liefert am meisten Waffen?

Bei den reinen Waffenlieferungen stehen die USA mit bisherigen Zusagen von 43,9 Milliarden Euro ganz klar vorne, vor Deutschland mit 17,1 Milliarden und Grossbritannien mit 6,6 Milliarden. Aus London gebe es seit dem Abgang von Premierminister Boris Johnson weniger Zusagen, registriert Trebesch. Aber vor allem die Tatsache, dass ein grosses EU-Land wie Frankreich bei der Militärhilfe in absoluten Zahlen noch hinter der Slowakei und dem Nicht-EU-Land Norwegen rangiert, erklärt den Vorstoss von Scholz. «Deutschland kann das definitiv nicht bilateral und alleine lösen», sagt auch die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, zu Reuters. Dabei spielt es für die Ukraine letztlich keine Rolle, ob die Hilfe bilateral oder über EU-Fonds geliefert wird - Kiew dringt nur auf Tempo.

Aber kleine Staaten haben höhere Pro-Kopf-Militärhilfen

Ganz anders sieht das Bild aus, wenn man auf die Pro-Kopf-Militärhilfen für die Ukraine schaut: Dann landen etwa die baltischen Staaten weit vorne - und Deutschland im Mittelfeld.

Problem des Vergleichs

Nun sind Vergleiche zwischen Staaten nicht immer einfach. «Staaten sind unterschiedlich transparent, was sie liefern», sagt Trebesch. Auch die Bundesregierung war anfangs für eine zu grosse Vertraulichkeit kritisiert worden, zählt aber mittlerweile mit einer täglich einsehbaren Übersicht eher zu den Transparenz-Vorbildern. «Zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs wollen wir auch eine Statistik basierend auf tatsächlichen Lieferungen und nicht nur auf Zusagen erstellen», kündigt Trebesch an.

Die anfänglichen Probleme der Vergleichbarkeit, als etwa Polen den Wert gelieferter alter Waffen aus Sowjetzeiten an die Ukraine hochrechnete, während Deutschland immer nur den abgeschriebenen Wert gebrauchter Waffen angab, verschwinde angesichts der Lieferung von neuem Material immer mehr, betont Trebesch. Allerdings: Die Kosten etwa für das ebenfalls sehr wichtige Training von Soldaten, bei dem Grossbritannien sehr aktiv ist, wird nicht einberechnet.

EU hilft weit mehr als die USA

Ein wiederum anderes Bild ergibt sich, wenn man neben der Militärhilfe auch andere, zivile Hilfe mit einbezieht, die für die Stabilität des EU-Beitrittskandidaten essenziell ist. So kommt der Ukraine Support Tracker bei Finanzzusagen auf den dreifachen Wert der EU gegenüber den USA. Grund ist vor allem die geplante Zusage an die Ukraine von 50 Milliarden Euro bis 2027, die auch auf dem EU-Sondergipfel am 1. Februar formalisiert werden soll.

Nicht nur Zahlen zählen

Die innenpolitische Debatte in Deutschland kreist allerdings weniger um diese Statistiken, sondern darum, was die Bundesregierung der Ukraine bisher nicht liefert. 2023 wurde monatelang gefordert, dass Kanzler Scholz die Zustimmung für die Lieferung von Leopard-Panzern gibt - die erst nach einer Abstimmung mit der US-Regierung erfolgte. Mittlerweile hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben 30 Kampfpanzer Leopard 1 A5 und 18 modernere Kampfpanzer Leopard A2 A6 geliefert. Aber gibt es seit Wochen die Forderung einer Lieferung von Taurus-Marschflugkörper mit hoher Reichweite, damit die Ukraine Ziele auf der besetzten Halbinsel Krim angreifen kann. Eine Lieferung forderten am Dienstag neben Strack-Zimmermann (FDP) der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, CDU-Chef Friedrich Merz und der CDU-Aussenminister Jürgen Hardt. Die Regierung aber hält sich bislang zurück.

(Reuters)