"Das dahinterstehende Netzwerk soll insbesondere skalierbarer, sicherer und vor allem nachhaltiger gestaltet werden", erläutert Analyst Timo Emden von Emden Research. Naeem Aslam, Chef-Marktanalyst des Brokerhauses AvaTrade, hebt positiv hervor, dass bei der Aktualisierung der Software offenbar alles glatt gelaufen sei.

Die von der verantwortlichen Ethereum Foundation versprochene Energie-Ersparnis von 99 Prozent bei der Abwicklung der Transaktionen werde Ethereum einen gewichtigen Vorteil gegenüber Bitcoin verschaffen, erläutert Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank. "Einige Marktbeobachter gehen daher sogar davon aus, dass Ethereum aufgrund der dann geringeren Umweltbedenken und breiteren Anwendungsfelder zur wertvollsten Kryptowährung aufsteigen könnte." Er habe allerdings Zweifel, dass der Hype gerechtfertigt sei.

Flippening oder kein Flippening?

Der mögliche Wechsel an der Spitze im Kryptowährungsmarkt wird in der Szene "Flippening" genannt. Bislang ist die Marktkapitalisierung von Bitcoin mit 386 Milliarden Dollar rund doppelt so hoch wie die von Ethereum. Allerdings holt Letztere mit grossen Schritten auf. In Erwartung von "The Merge" hat der Ethereum-Kurs seit Mitte Juni rund 75 Prozent auf derzeit knapp 1600 Dollar zugelegt. Bitcoin kommt nur auf ein Plus von rund 13 Prozent und kostet aktuell gut 20'000 Dollar.

Selbst bei einem erfolgreichen Ethereum-Update sei nicht sicher, dass das "Flippening" in greifbare Nähe rücke, sagt Alex Miller, Chef der Firma Hiro, die Programme für Software-Entwickler der Krypto-Branche anbietet. "Die Kursentwicklung von Kryptowährungen korreliert immer noch stark." Daher werde eine Ethereum-Rally voraussichtlich Bitcoin mitziehen.

"The Merge" verhalf der Cyber-Devise zunächst aber nicht zu einem Kurssprung. Das könnte einige Investoren verärgern, die daher erst einmal ausstiegen, sagt AvaTrade-Experte Aslam.

«Proof-of-Stake» statt «Proof-of-Work»

Dreh- und Angelpunkt von "The Merge", das mit technischen Problemen zu kämpfen hatte, ist die Umstellung der Art und Weise, wie Transaktionen verifiziert werden. Dies geschah bislang wie bei der ältesten und wichtigsten Cyber-Devise Bitcoin mittels "Proof-of-Work". Dabei stellen Nutzer Rechenleistung zur Verfügung, um Transaktionen auf ihre Echtheit zu prüfen und verschlüsselt in eine gemeinsame Datenbank - die Blockchain - einzutragen. Bei diesem Wettstreit erhält allerdings nur derjenige "Schürfer" digitale Münzen der jeweiligen Kryptowährung als Belohnung, der als erster die Berechnungen abschliesst. Alle anderen gehen leer aus und ihr Einsatz von Rechenleistung war umsonst. Wegen dieses hohen Energie-Bedarfs, der Schätzungen zufolge demjenigen eines kleinen Landes entspricht, stehen Kryptowährungen als angebliche Klimakiller in der Kritik.

Im Rahmen des Projekts "Ethereum 2.0" erhält künftig im "Proof-of-Stake"-Verfahren derjenige Nutzer das alleinige Recht zur Validierung und Verschlüsselung einer Transaktion, der zu einem bestimmten Zeitpunkt den grössten Bestand digitaler Ethereum-Münzen vorweisen kann. Dadurch ist nur noch ein Rechner statt hundert oder eine Million mit einem Auftrag beschäftigt. Einige andere Kryptowährungen nutzen dieses Verfahren bereits ausschliesslich oder teilweise.

Kritiker warnen allerdings, dass Ethereum mit dem Update anfälliger für Hacker-Angriffe werden könnte. Ausserdem könnte ein Schürfer so viel Ethereum ansammeln, dass er stets mit der Verifizierung von Transaktionen beauftragt wird. Er könnte dann die Blockchain manipulieren und sich bereichern. Befürworter entgegnen, dass entsprechende Schutzmechanismen eingebaut worden seien.

(Reuters)