Nordkorea-Kriegsgefahren, noch nicht erfüllte Wahlversprechen von US-Präsident Donald Trump, überbewertete Aktien: Viele Risikofaktoren verunsichern derzeit die Investoren und halten sie davon ab, Aktien zu kaufen. Nicht wenige Anleger haben die Gewinne auch ins Trockene gebracht, die sie mit gut gelaufenen Titeln erzielt haben. Das ist durchaus nachvollziehbar: Der Dow-Jones-Index, der Standardwerte in den USA, ist seit November 2011 von knapp 13'000 Punkten auf inzwischen über 22'000 Zähler gestiegen.

"Keine Frage, es sind derzeit viele Unsicherheiten in den Märkten", sagt Mojimir Hlinka, CEO des Vermögensverwalters Agfif in Zürich, im cash-Börsen-Talk. "Wir haben auf der anderen Seite aber auch sehr positive Impulse". Er meint damit die positive Konjunkturentwicklung in Deutschland, im Euroraum, in China sowie auch die überraschend guten Halbjahreszahlen vor allem in den USA. Schon Ende Juli stand zum Beispiel fest, dass die in den USA veröffentlichten Unternehmenszahlen zu rund 80 Prozent die Erwartungen übertroffen hatten.

Diese Fakten sind laut Hlinka zu wenig präsent in den Köpfen der Investoren. "Die wirtschaftliche Situation ist besser als die Stimmung an den Börsen", und dies sei ein ganz deutlicher Indikator dafür, dass die Aktien nicht zu teuer und die Börsen nicht überkauft seien. Hlinka ist überzeugt: "Die Unsicherheiten werden sich an den Börsen in temporären Korrekturen manifestieren, aber nicht auf den gesamten Marktverlauf auswirken." Beim Swiss Market Index (SMI) rechnet Hlinka bis zum Jahresende mit einem Stand von bis 9500 Punkten von derzeit knapp 9000. 

"Zinsniveau wird noch sehr lange tief bleiben"

Allerdings hat die Europäische Finanzmarktaufsicht (ESMA) die Investoren diese Woche mit ungewöhnlich scharfen Worten vor Risiken an den Finanzmärkten gewarnt. Die Preise für viele Investments seien angesichts diverser Unsicherheiten "auf höchstem Niveau". Zu den grössten Risiken gehörten die Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Brexit und die politischen Entwicklungen in den USA.

"Die Finanzmarktaufischt will hier natürlich eine gewisse Verantwortung wahrnehmen", sagt Hlinka, misst aber den Aussagen der Aufsicht keine grössere Bedeutung zu. Das tiefe Zinsniveau beinhalte eine gewisse Alternativlosigkeit bei den Anlagen. Und die Bewertung von Aktien könnten sich in solchen Zeiten kaum messen beziehungsweise vergleichen lassen, sagt Hlinka. "Das Zinsniveau wird noch sehr lange tief bleiben". 

Kaum ein anderer Börsenindex versinnbildlicht die Unentschlossenheit der Investoren wie der SMI. Der Leitindex ist bislang im Jahresverlauf um 10 Prozent gestiegen, doch der Gewinn manifestierte sich vor allem in den ersten Monaten des Jahres. Seit Mai schwankt der Index um die Marke von 9000 Punkten und kommt kaum mehr richtig vom Fleck.

Nur Swiss Re im Minus

Nur eine SMI-Aktie liegt in diesem Jahr im Minus. Die Performance des Rückversicherers Swiss Re ist in diesem Jahr 10 Prozent negativ. Das Unternehmen leidet unter Preiserosion im Rückversicherungsgeschäft und unter zunehmender Konkurrenz aus dem Erstversicherungssektor. Konkurrentin Munich Re kündigte vor zwei Tagen zudem an, dass wegen der jüngsten Stürme vor allem in den USA hohe versicherte Schäden zu erwarten seien und daher das Gewinnziel für das laufende Jahr gefährdet sei. 

"Auch hier spielt die Marktpsychologie", sagt Hlinka zur Aktien von Swiss Re. "Es gibt Unsicherheiten, und bei Swiss Re sind es unvorhersehbare Naturkatastrophen. Aber das gehört zum Geschäftsmodell", sagt Hlinka. Das Unternehmen sei strategisch sehr gut aufgestellt und habe in der Vergangenheit immer eine Dividendenrendite von 4 und 6 Prozent gehabt. "Die Aktie gehört in jedes Depot", sagt Hlinka. Einige Marktstrategen sind der Meinung, dass klassische Dividendentitel wie Swiss Re oder Zurich einige Monate vor Auszahlung der Ausschüttungen an der Börse sowieso wieder anziehen könnten.  

Beim Währungspaar Euro/Franken hält Hlinka einen Kurs von 1,25 bis 1,30 für möglich. "Aber das wird dauern." Denn solange die Europäische Zentralbank die Zinsen nicht anhebt, sind der Schweizerischen Nationalbank die Hände gebunden. Eine eigenständige Schweizer Zinserhöhung würde wohl eine starke Aufwertung des Frankens nach sich ziehen. Ein erster Zinsschritt werde daher nicht vor Ende 2019 erfolgen, sagen etwa die Experten von Capital Economics. Hlinka selber geht beim Eurokurs vorerst von einer Seitwärtsbewegung mit leichter Aufwärtstendenz aus. 

Im cash-Börsen-Talk äussert sich Mojmir Hlinka auch zur Aktie von Apple und zu Bitcoin.