Der Luxusgüterkonzern Richemont steigert den Halbjahresumsatz um rund 9 Prozent. Zumindest auf den ersten Blick bewegt sich die Umsatzentwicklung im Rahmen der Analystenerwartungen und lässt keine (Aktionärs-)Wünsche offen.

Doch der Schein trügt: Mit 6 Prozent weiss das Wachstum zu konstanten Wechselkursen nur bedingt zu überzeugen. Zudem hatten sich die Analysten vom operativen Gewinn (EBIT) einiges mehr erhofft. Diese bleibt mit 1,17 Milliarden Euro hinter den erwarteten 1,24 Milliarden Euro zurück. Für enttäuschte Gesichter sorgt insbesondere das Schmuckgeschäft. In den letzten Jahren stets ein Garant für hohe Wachstumsraten und überdurchschnittliche Margen, erleidet dieser Geschäftszweig gar einen Margenrückgang.

An der Schweizer Börse SIX wird die Richemont-Aktie denn auch mit Kursverlusten abgestraft. Nach einem frühen Rücksetzer auf 74,58 Franken verliert sie zur Stunde noch 5,4 Prozent auf 75,30 Franken.

Beobachter geben sich ungewohnt entspannt. Richemont warte nicht zum ersten Mal mit einer Ergebnisenttäuschung auf. Allerdings habe sich die Aktie jeweils rasch wieder von ihren Kursverlusten erholt. Vermutlich sei das auch diesmal der Fall, so lautet der Tenor.

Verluste im Online-Vertrieb und hohe Investitionen

Das würde nicht überraschen, macht die Luxusgüteranalystin von Goldman Sachs doch vor allem den höher als erwartet ausgefallenen Verlust im Online-Vertrieb für die Gewinnenttäuschung verantwortlich. An der Umsatz- und Gewinnentwicklung im Geschäft mit Uhren und Schmuck hat sie hingegen nicht viel auszusetzen. Ihres Erachtens rückt damit vermehrt die Integration von Yoox-Net-a-Porter, kurz YNAP, ins Zentrum des Interesses. Die Analystin stuft die Richemont-Aktie vorerst mit "Neutral" und einem 12-Monats-Kursziel von 78 Franken ein.

Sichtlich enttäuscht zeigt sich ihre Berufskollegin bei der UBS. Auch sie macht vor allem die hohen Verluste im Online-Vertrieb für die stark rückläufige operative Marge auf Konzernebene verantwortlich. Nach der starken Kursentwicklung in den vergangenen vier Wochen rechnet die Analystin mit einer ziemlich unterkühlten Börsenreaktion. Sie hält deshalb sowohl an ihrer Verkaufsempfehlung als auch am 68 Franken lautenden 12-Monats-Kursziel fest.

Versöhnlicher gibt man sich bei der Credit Suisse. Das Halbjahresergebnis sei über alle Geschäftsbereiche hinweg von hohen Investitionen geprägt. Die kleinere der beiden Schweizer Grossbanken sieht darin einen einmaligen Effekt, der über die Zeit weniger werden sollte. Dennoch empfiehlt die Credit Suisse die Richemont-Aktie mit "Underperform" zum Verkauf.

Der für die Zürcher Kantonalbank tätige Luxusgüteranalyst gewinnt dem vorliegenden Halbjahresergebnis sogar etwas positives ab. Er zeigt sich erfreut darüber, dass die Bruttogewinnmarge im Jahresvergleich nur leicht rückläufig war. Auch die Verbesserungen beim operativen Cash Flow begrüsst der Analyst. Er stuft die Aktie mit "Marktgewichten" ein.

Erwartungen gehen weit auseinander

So unterschiedlich die Reaktionen der Analysten, so unterschiedlich ist ihre Erwartungshaltung. Wie die Nachrichtenagentur AWP ermittelte, bewegten sich die Umsatzschätzungen der Analysten zwischen 7,33 und 7,52 Milliarden Euro. Beim operativen Gewinn (EBIT) lagen die tiefsten Annahmen bei 1,09 Milliarden Euro und die höchsten bei 1,32 Milliarden Euro. Auf Stufe Reingewinn reichte die Spannweite von 830 Millionen Euro bis 1,03 Milliarden Euro.

Diese sehr unterschiedlichen Erwartungen spiegeln sich auch bei den Anlageempfehlungen und Kurszielen für die Richemont-Aktie wider. Sechs Banken raten zum Kauf der Aktie. Die französische Investmentbank Oddo sieht sie gar auf 100 Franken steigen. Immerhin vier Banken empfehlen den Luxusgüterwert zum Verkauf, Merrill Lynch gar mit einem Kursziel von nur 65 Franken. Bei zwei der vier Banken handelt es sich um die beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse (cash berichtete).

Mit einem Kursplus von 26 Prozent in diesem Jahr schneidet die Richemont-Aktie seit Jahresbeginn deutlich besser als das SMI-Schlusslicht Swatch Group ab.