Wenn Carl Icahn bei einem Unternehmen einsteigt, haben die Entscheidungsträger für gewöhnlich allen Grund, nervös zu werden. Der US-Milliardär ist bekannt dafür, sich bei unterbewerteten Unternehmen einzunisten. Mit aggressiven Strategien drängt er dann auf Veränderungen, von denen vor allem die Aktionäre profitieren. Dazu gehören etwa Aktienrückkäufe, Restrukturierungsmassnahmen oder gar der Verkauf des Unternehmens. Meist ist Icahn am Ende um viele Millionen Dollar reicher, während die betroffenen Firmen mit den nicht immer positiven Folgen zu kämpfen haben.

Einem Medienbericht zufolge ist der US-Milliardär in den letzten Tagen bei Bristol-Myers Squibb (BMS) eingestiegen. Ziel sei es, den traditionsreichen Pharmakonzern an einen finanzkräftigen Rivalen zu verkaufen oder mit einem solchen zu verschmelzen, so heisst es.

BMS passt nicht ins "Beuteschema" von Novartis

Noch ist zwar unklar, in welchem Umfang sich Icahn beteiligt hat. Dennoch dürfte sein Engagement mehr als bloss ein Zufall sein. Denn seit gut einer Woche wird neben dem Branchenprimus Pfizer auch Roche und Novartis ein Interesse an Bristol-Myers Squibb nachgesagt. Quelle dieser Spekulationen ist der Nachrichtendienst "Street Insider". Dieser wusste auch schon frühzeitig von der Übernahme von Actelion durch Johnson & Johnson.

Kursentwicklung von Bristol-Myers Squibb (rot) verglichen mit jener von Novartis (grün) und Roche (violett) über 12 Monate; Quelle: www.cash.ch

Mit einem Börsenwert von gut 90 Milliarden Dollar will Bristol-Myers so gar nicht ins "Beuteschema" von Novartis passen. Eigenen Angaben zufolge sucht der Basler Gesundheitskonzern nach kleineren Übernahmegelegenheiten im Transaktionswert von bis zu 5 Milliarden Dollar. Solche sind zur Zeit aber nur schwer zu kriegen. Ausserdem muss sich Novartis die Kritik gefallen lassen, der Konkurrenz auf dem Gebiet der Immunonkologie weit hinterher zu hinken. Obwohl Bristol-Myers Squibb zuletzt produktseitige Rückschläge zu beklagen hatte, gilt das Unternehmen noch immer als Pionier auf diesem Therapiegebiet.

Würde sich Novartis des Problemkinds Alcon entledigen?

Allgemein würden Novartis und Bristol-Myers Squibb gut zueinander passen, so heisst es in Expertenkreisen. Einzig bei den Medikamenten gegen Leukämie gibt es mit Glivec und Tasigna auf der einen und Sprycel auf der andern Seite gewisse Überschneidungen. Womöglich müsste sich das neu entstehende Unternehmen von einem der Produkte trennen, um wettbewerbsrechtliche Hürden nehmen zu können.

Für Novartis hätte eine Übernahme von oder ein Zusammenschluss mit Bristol-Myers Squibb weitreichendere Bereinigungen des Firmenportfolios zur Folge. Das an Roche gehaltene Aktienpaket stünde genauso zur Disposition wie die unter hausgemachten Problemen leidende Augenheilsparte Alcon. Trennt sich Novartis von Alcon, ginge das wohl nicht ohne einen ausserordentlichen Goodwill-Abschreiber von bis zu 10 Milliarden Dollar. Alcon wurde unter dem einstigen Konzernchef Daniel Vasella in mehreren Tranchen für umgerechnet 50 Milliarden Dollar vom Nahrungsmittelkonzern Nestlé übernommen.

Anders als bei Novartis wähnen Branchenexperten Roche nicht unter Druck, sich mit einem ähnlich grossen Konkurrenten zusammenzuschliessen. Der Platzrivale aus Basel spiele im margenstarken Onkologiegeschäft weiterhin in einer eigenen Liga, so heisst es.

Wie dem auch immer sein wird: Der Einstieg von Carl Icahn bei Bristol-Myers Squibb öffnet Übernahmespekulationen in der Pharmaindustrie jedenfalls Tür und Tor. Nach dem Verkauf von Actelion an Johnson & Johnson scheint selbst das Unmögliche plötzlich möglich.