Nestlé kauft für umgerechnet knapp 2,3 Milliarden Franken die kanadische Atrium Innovations, wie am Dienstagabend bekannt wurde. Damit baut der Nahrungsmittelkonzern aus Vevey sein Geschäft mit Gesundheitsprodukten (Consumer Health) aus. Die Übernahme soll im ersten Quartal nächsten Jahres abgeschlossen werden und ab dann zum Wachstum sowie zum Gewinn beitragen.

Für Experten steht fest: dieser milliardenschwere Kauf dürfte bei Nestlé grössere Veränderungen einläuten. Gleichzeitig wird die Übernahme von Atrium Innovations als Anhaltspunkt verstanden, dass der geplante Verkauf des amerikanischen Süsswarengeschäfts unmittelbar bevorstehen könnte.

Die Nestlé-Aktie kann sich am Dienstag an der Schweizer Börse SIX dem schwächeren Gesamtmarkt entziehen. Zur Stunde gewinnt sie 0,9 Prozent auf 85,50 Franken.

Wie der Nahrungsmittelanalyst der britischen Grossbank Barclays schreibt, trägt die Übernahme von Atrium Innovations bei Nestlé zwar weniger als ein Prozent zum Jahresumsatz bei. Allerdings sei der Ausbau des Geschäfts mit Gesundheitsprodukten kaum von Signalwirkung zu überbieten, so ergänzt er. Seines Erachtens zeigt der Firmenkauf die zukünftige Stossrichtung des Nahrungsmittelkonzerns.

Auch für die Übernahme selber findet der Experte ausschliesslich positive Worte. Er sieht darin vom strategischen Standpunkt aus Logik und hält den bezahlten Preis für nicht übertrieben hoch. Die Nestlé-Aktie wird bei Barclays wie bis anhin nur mit "Equal Weight" und einem Kursziel von 80 Franken eingestuft.

Folgt auf den ersten sogleich der zweite Streich?

Ähnlich äussert sich sein Berufskollege bei Baader-Helvea. Dem Experten zufolge trägt die milliardenschwere Übernahme in Kanada ganz klar die Handschrift von Nestlé-Chef Mark Schneider. Er sieht darin eine klare Abkehr von der Akquisitionsstrategie seines Vorgängers, welche sich vom finanziellen Aspekt her nie bezahlt gemacht hatte. Der Baader-Helvea-Analyst rechnet bei Nestlé mit weiteren Firmenzukäufen und empfiehlt die Aktie nicht zuletzt deshalb mit einem Kursziel von 90 Franken zum Kauf.

Unklar ist, ob Nestlé nun trotzdem für das zum Verkauf stehende Geschäft der deutschen Merck mit nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten bietet. Zumindest an der Börse wird den Westschweizern jedenfalls reges Interesse nachgesagt. Experten sind sich einig, dass die Geschäftsaktivitäten für umgerechnet 3,5 bis 5,7 Milliarden Franken den Eigentümer wechseln könnten.

Als weit fortgeschritten gilt hingegen der Verkaufsprozess für das US-Süsswarengeschäft von Nestlé. Ursprünglich wurde mit einem Verkaufserlös von 1,5 bis 2 Milliarden Franken gerechnet. Beobachter halten mittlerweile je für möglich, dass der Verkauf sogar noch mehr in die Kasse von Nestlé spült.

Erster Analyst erhöht sein Kursziel

Im Wissen um das angebliche Interesse an der Merck-Sparte kommt die Übernahme von Atrium Innovations für den Autor eines Kommentars aus dem Hause Vontobel doch ziemlich überraschend. Er sieht Nestlé sich deshalb noch vor Jahresende vom US-Süsswarengeschäft trennen. Sein Anlageurteil für die Nestlé-Aktie lautet "Buy". Das Kursziel gibt er weiterhin mit 96 Franken an.

Auf Basis der positiven Auswirkungen des Firmenkaufs in Kanada auf das zukünftige Wachstum und die Margenentwicklung erhöht der für Kepler Cheuvreux tätige Experte das Kursziel für die Aktie von Nestlé auf 95 (bisher 93) Franken. In Erwartung weiterer Anpassungen beim Beteiligungsportfolio bekräftigt er seine Kaufempfehlung.