Mit 115 zu 76 Stimmen bei einer Enthaltung folgte die grosse Kammer dem Vorschlag ihrer Wirtschaftskommission (WAK-N). Deren Sprecher Markus Ritter (Mitte/SG) begründete den Systemwechsel mit dem gewünschten Abbau von bürokratischen Hürden. Die heute geltende flächendeckende Anmeldepflicht sei «nur Arbeit, die zu nichts führt - ausser Mehraufwand für Importeure und Exporteure».

SP, Grüne und GLP plädierten erfolglos für den Status quo. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) sah nichts Geringeres als das grundlegende Funktionieren des Zolls in Gefahr. Wenn nur noch zollpflichtige Waren angemeldet werden müssten, werde der Schmuggel zum Kinderspiel. Auch befürchtete er einen massiven Einbruch der Zolleinnahmen. Sophie Michaud Gigon (Grüne/VD) sprach von einem «komplett verrückten Vorschlag».

Die für den Zoll zuständige Finanzministerin Karin Keller-Sutter gab zu bedenken, dass die flächendeckende Warenanmeldung die Grundlage für die durch die Reform gewünschte Digitalisierung des Zolls sei. «Sonst sind keine Daten vorhanden, dann müssten Kontrollen manuell stattfinden.»

Keller-Sutter hielt fest, dass der Warenverkehr durch die Umsetzung des Entscheids wohl verlangsamt und die Bürokratie ausgebaut würde. Genau das Gegenteil behauptete die obsiegende bürgerliche Mehrheit im Nationalrat.

Wahlfreiheit bei Verzollung

Auch in weiteren Punkten wich die grosse Kammer vom Entwurf des Bundesrats ab. So sollen Exporteure und Importeure von Waren in Zukunft entscheiden können, ob sie die Verzollung selber erledigen wollen. Sowohl Transportunternehmen wie auch anderen Dienstleistern soll es untersagt sein, den Sendungsempfängern für die Verzollung Kosten aufzuerlegen.

Laut Ritter handelt es hierbei um ein Anliegen des Gewerbes. «Wir zielen nicht auf die Konsumentinnen und Konsumenten.» Laut Keller-Sutter könnte dadurch der Warenfluss ins Stocken geraten, bis klar ist, wer die Warenanmeldung vornimmt. Die obsiegende Mehrheit im Nationalrat verwies auf den Ständerat, der den neuen Artikel noch mal gründlich prüfen könne.

Diskussion um Zollfreilager

Umstritten waren ausserdem neue Bestimmungen zu Zollfreilagern. Die Ratslinke wollte erreichen, dass der Bund künftig über die wirtschaftlich Berechtigten von Waren in solchen Lagern Auskunft geben muss. Dieser Antrag scheiterte aber.

Jacqueline Badran (SP/ZH) begründete erfolglos, dass in Zollfreilagern immense Vermögenswerte existierten. Gebe es keine Angabe der wirtschaftlich Berechtigten, könne die Schweiz als Versteck von Vermögenswerten missbraucht werden. «Wir kennen in der Schweiz die Namen der Kühe, aber nicht die Eigentümer von Milliarden von Geldern in Zollfreilagern.»

Leo Müller (Mitte/LU) hielt entgegen, dass die Eigentümer von Waren in Zollfreilagern heute schon erfasst würden. «Zollfreilager sind keine rechtsfreien Räume», sagte Beat Walti (FDP/ZH). Keller-Sutter versprach, diese Frage bei der bald geplanten Revision des Geldwäschereigesetzes zu klären.

Konsultationspflicht erweitert

Der Nationalrat verankerte im Zollgesetz, dass das BAZG in Zollfreilagern mit eigenem Personal anwesend sein muss. Grünen-Präsident Glättli warnte vor einem «massiven zusätzlichen Personalaufwand». Das Bundesamt leide heute schon an chronischem Personalmangel. «Grenzwächter werden besser an der Grenze eingesetzt», sagte auch Bundesrätin Keller-Sutter.

Weiter beschloss der Nationalrat im Zollgesetz, dass das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) die interessierten Kreise zu konsultieren hat, bevor es eine Bewilligung für die Einfuhr von Milch, Magermilch und Weizen zur aktiven Veredelung erteilt.

Antragsstellerin Daniela Schneeberger (FDP/BL) schrieb von einem «Kompromiss der Branchenpartner», der dem neuen Anliegen landwirtschaftlicher Kreise Rechnung trage, ohne den früheren Kompromiss zur «Schoggi-Gesetz»-Ersatzlösung aufzukündigen.

Die Beratung zum Zollgesetz wird am Nachmittag weitergeführt.

(AWP)