Seit ChatGPT und andere Programme der Künstlichen Intelligenz (KI) die Schlagzeilen erobern und Unternehmen fast täglich neue Anwendungsgebiete vorstellen, wird die Frage der Regulierung immer drängender.

Zwar arbeitet die Europäische Union (EU) an einer KI-Gesetzgebung, deren Umsetzung aber wohl noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen wird, so dass die nationalen Behörden vorerst mit vorhandenen Gesetzen arbeiten müssen. "In Ermangelung neuer Vorschriften können Regierungen bislang nur die bestehenden Regeln anwenden", sagt Massimiliano Cimnaghi, Experte bei der Beratungsfirma BIP.

Geltende Gesetze von Urheberrecht bis Datenschutz müssen nach Ansicht von Regulierungsbehörden und Experten aus den USA und Europa vor allem auf zwei Gebiete angewendet werden: Die in die KI-Anwendung eingehenden Informationen und die von ihr erzeugten Inhalte. Die zuständigen Behörden würden dabei ermutigt, ihre Handlungsspielräume neu zu interpretieren, sagt Suresh Venkatasubramanian, ehemaliger Technologieberater der US-Regierung.

Eine zeitnahe Regulierung soll Befürwortern zufolge die Risiken der sich rasch entwickelnden Technologie einschränken. So warnen Kritiker unter anderem vor der Verbreitung von Desinformation, da sich von KI erstellte Texte und Bilder kaum als solche identifizieren lassen.

Die Frage des Datenschutz

Ermittlungen gegen Chatgerge GPT wegen des Verdachts auf Verstösse gegen die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) waren Ende März von der zuständigen Behörde in Italien eingeleitet worden, die den Dienst vorübergehend sperrte. Seit Ende April ist die von Microsoft geförderte Firma für italienische Nutzer und Nutzerinnen wieder verfügbar. Hintergrund sind vom Betreiber OpenAI umgesetzte Massnahmen, zu denen unter anderem eine Altersprüfung gehört. Die italienische Datenschutzbehörde Garante will einem Insider zufolge nun mit der Kontrolle anderer KI-Tools beginnen.

Nicht nur in Italien, sondern auch in Spanien und Frankreich hatten Datenschützer ähnliche Untersuchungen gestartet. "Obwohl unser Schwerpunkt weiterhin auf dem Datenschutz und dem Schutz der Privatsphäre liegt, untersuchen wir das gesamte Spektrum der Auswirkungen", sagt Bertrand Pailhes, Leiter der Technologieabteilung bei der französischen Datenaufsichtsbehörde CNIL. So habe man im KI-Bereich die Führung für Diskriminierungsklagen übernommen.

Möglicherweise könne eine Teilbestimmung des europäischen Datenschutzgesetzes genutzt werden, um Personen vor von Maschinen getroffenen Entscheidungen zu schützen und damit einhergehende Diskriminierungen zu vermeiden - etwa, wenn KI-Anwendungen Kreditzusagen unzulässigerweise von persönlichen Merkmalen der Antragsteller abhängig machen sollten. Für die rechtliche Prüfung werde jedoch Zeit benötigt. Zudem bestehe das Risiko, dass verschiedene Behörden unterschiedliche Ansichten vertreten, sagt Pailhes.

EU-Gesetz rückt in Sichtweite - Urheberrecht im Fokus

Für einheitliche Regeln und Massnahmen soll das KI-Gesetz der EU sorgen. Der Entwurf erlegt den Entwicklern von Programmen wie ChatGPT Transparenzpflichten auf und verbietet bestimmte Einsatzbereiche, etwa die Gesichtserkennung im öffentlichen Raum. Zudem sollen Betreiber von KI-Tools dazu gezwungen werden, urheberrechtlich geschütztes Material wie Bücher oder Fotos, das sie zum Trainieren ihrer Modelle verwenden, offenzulegen.

Urheberrechtsverletzungen nachzuweisen werde jedoch nicht einfach sein, sagt Europaparlamentarier Sergey Lagodinsky, der an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs beteiligt war. "Es ist, als ob man Hunderte von Romanen liest, bevor man seinen eigenen schreibt", sagt er. "Wenn man tatsächlich etwas kopiert und veröffentlicht, ist das eine Sache. Aber wenn man nicht direkt das Material eines anderen plagiiert, spielt es keine Rolle, worauf man sich bezogen hat."

Der "AI Act" soll dem Europaparlament im Juni zur Abstimmung vorgelegt werden, bevor er dann in den sogenannten Trilog geht, bei dem gemeinsam mit der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten die Details ausgehandelt werden. Anschliessend bleibt den Betroffenen immer noch eine Frist von etwa zwei Jahren, um sich an die neuen Rahmenbedingungen anzupassen. 

(Reuters)