Er sei zu dem Schluss gekommen, dass eine Wiedervereinigung mit dem Süden nicht mehr möglich sei. Im Falle eines Krieges auf der koreanischen Halbinsel solle die Verfassung des Landes die Frage der «Besetzung», «Rückeroberung» und «Eingliederung» des Südens in sein Territorium widerspiegeln. «Wir wollen keinen Krieg, aber wir haben nicht die Absicht, ihn zu vermeiden», wurde Kim in seiner Rede vor der Obersten Volksversammlung von KCNA zitiert. Ein Krieg würde den Süden dezimieren und den USA eine «unvorstellbare» Niederlage zufügen. Der Regierung in Seoul warf er vor, den Zusammenbruch des Regimes und eine Wiedervereinigung durch Absorption anzustreben. Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol kritisierte Kims Vorstoss. Dieser zeige den «antinationalen und ahistorischen» Charakter der Regierung in Pjöngjang. Er kündigte an, auf Provokationen wie den jüngsten Raketenstart mit einer Antwort «in vervielfachtem Ausmass» zu reagieren.

Drei Organisationen, die sich mit dem bisherigen Ziel einer Wiedervereinigung der beiden Länder und dem innerkoreanischen Tourismus beschäftigen, sollen laut staatlichen Medien geschlossen werden. Analysten zufolge könnte das nordkoreanische Aussenministerium die Beziehungen zu Südkorea übernehmen und möglicherweise in einem künftigen Krieg den Einsatz von Atomwaffen gegen den Süden rechtfertigen.

Experten halten die Lage auf der koreanischen Halbinsel für so gefährlich wie seit Anfang Juni 1950 nicht mehr: «Es mag übertrieben dramatisch klingen, aber wir glauben, dass Kim Jong Un wie sein Grossvater 1950 die strategische Entscheidung getroffen hat, in den Krieg zu ziehen», schreiben der ehemalige Beamte des Aussenministeriums Robert Carlin und der Nuklearwissenschaftler Siegfried Hecker in einem Bericht für das US-Projekt 38 North. «Wir wissen nicht, wann oder wie Kim den Abzug drücken will, aber die Gefahr geht schon jetzt weit über die routinemässigen Warnungen aus Washington, Seoul und Tokio vor Pjöngjangs 'Provokationen' hinaus». Andere Beobachter sind optimistischer: Die Veränderungen spiegelten einfach die Realität wider und könnten den beiden Koreas helfen, ihre Beziehungen zu normalisieren.

(Reuters)