Die Generika-Tochter Sandoz soll abgespalten und am 4. Oktober an die Schweizer Börse SIX gebracht werden, wie der Arzneimittelhersteller aus Basel am Freitag mitteilte. Die Novartis-Aktionäre erhalten für je fünf Titel eine Sandoz-Aktie. Ausgehend vom Börsenwert von Novartis von rund 200 Milliarden Franken liesse sich daraus ein theoretischer Börsenwert von rund 40 Milliarden Franken für Sandoz ableiten. Ein Konzernsprecher warnte aber: "Das Splitverhältnis gibt keinen Hinweis auf den Unternehmenswert oder Aktienkurs von Sandoz am ersten Handelstag, der vom Markt auf der Grundlage der Geschäfts- und Gewinnaussichten des Unternehmens sowie anderer Faktoren bestimmt wird." Analysten rechnen mit einer ungefähr halb so hohen Bewertung.

Mit der Trennung von dem vergleichsweise margenschwachen Geschäft mit Nachahmer-Medikamenten und Biosimilars treibt Novartis seine Ausrichtung auf die lukrativen patentgeschützten Arzneimittel voran. Gemessen am Umsatz stösst der Konzern fast ein Fünftel seines Geschäfts ab. Im Juni hatten die Analysten von HSBC Sandoz mit rund 18 Milliarden Dollar bewertet, Kepler von 25 Milliarden Dollar.

Anleger warten gespannt, ob dann das Kalkül von Novartis aufgeht, dass die beiden Unternehmensteile zusammen mehr wert sind als der Konzern bisher. Grundsätzlich stehen Aktien bei der Abspaltung unter Druck. Denn nicht alle Novartis-Aktionäre wollen oder können zugleich Sandoz-Eigentümer werden. Indexfonds etwa müssen die Sandoz-Papiere verkaufen, weil die Aktie nicht unmittelbar in einem der grossen Börsenindizes enthalten sein wird. Wer eine Zahl von Novartis-Aktien hält, die nicht durch fünf teilbar ist, bekommt einen Geldbetrag statt eines Aktien-Bruchteils. Novartis verkauft die übrigen Aktien an der Börse. Bei vergleichbaren Transaktionen mussten Investmentbanker neue Eigentümer für ein Viertel der neu ausgegebenen Aktien finden.

Bei einem Börsenwert von mindestens 20 Milliarden Dollar wäre Sandoz der grösste Neuzugang an der Schweizer Börse seit Alcon: Das ebenfalls von Novartis abgespaltene schweizerisch-amerikanische Augenheilkunde-Unternehmen brachte es bei seinem Debüt 2019 auf 28 Milliarden Dollar.

Vor dem Börsengang von Sandoz stehen allerdings noch mehrere Hürden. Die Novartis-Aktionäre müssen am 15. September auf einer ausserordentlichen Generalversammlung grünes Licht für den Spin-Off geben. Zudem müssen die Behörden der Börsennotierung zustimmen. Novartis will neben dem Listing an der SIX auch in den USA Hinterlegungsscheine (American Depositary Receipts, ADRs) anbieten.

Wertvollstes Generika-Unternehmen

"Novartis ist zuversichtlich, dass der Spin-Off im besten Interesse aller Aktionärinnen und Aktionäre ist und einen europäischen Champion und weltweit führenden Anbieter von Generika und Biosimilars sowie eine stärker fokussierte Novartis schaffen wird", hiess es in der Mitteilung. 2022 steigerte Sandoz den Umsatz währungsbereinigt um vier Prozent auf 9,25 Milliarden Dollar bei einer bereinigten Ebitda-Marge von 20,6 Prozent. Weit lukrativer war das Kerngeschäft "Innovative Medicines" mit 36,9 Prozent Rendite. Sandoz stellte den künftigen Aktionären Anfang Juni steigende Gewinne und Dividenden in Aussicht.

Sandoz wird voraussichtlich der am höchsten bewertete reine Hersteller von Nachahmer-Medikamenten weltweit. Der US-Rivale Viatris kommt auf eine Marktkapitalisierung von rund 14 Milliarden Dollar, die israelische Teva - die Mutter des deutschen Generika-Herstellers Ratiopharm - auf rund zehn Milliarden Dollar. Gemessen am Umsatz ist Teva der grösste Hersteller von Arzneien mit abgelaufenem Patentschutz, gefolgt von Sandoz und Viatris.

Langer Umbau bei Novartis

Nachdem Novartis Sandoz im Oktober 2021 auf den Prüfstand gestellt hatte, setzten viele Analysten und Branchenexperten auf einen Verkauf an einen Konkurrenten oder Finanzinvestoren. Dies wurde durch den Zinsanstieg vereitelt, der die Finanzierung eines solchen Deals teurer machtr. Dazu kamen die Probleme der Generika-Branche, der der Preisdruck zusetzt. Vor einem Jahr kam die Weichenstellung in Richtung eines Listings.

Sandoz war eine der beiden Vorgängerfirmen von Novartis. Der Pharmariese ging 1996 aus dem Zusammenschluss des Unternehmens mit dem Pharma- und Chemiekonzern Ciba-Geigy hervor. 2003 reaktivierte der damalige Konzernchef Daniel Vasella die Marke Sandoz für das Generika-Geschäft. Novartis wurde mit Zukäufen eines der am breitesten aufgestellten Gesundheitsunternehmen der Welt. Doch 2014 zog Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt einen Schlussstrich unter diese Strategie. Im ersten Schritt stiess der ehemalige Bayer-Manager die kleinen und renditeschwachen Sparten Impfstoffe, Tiergesundheit und rezeptfreie Medikamente ab und baute im Gegenzug das lukrative Krebsgeschäft aus. 2019 spaltete Novartis dann Alcon ab.

«Kräfte freisetzen»

Trotz des Umbaus war Novartis zuletzt kein Börsenliebling. Seit dem Antritt von Konzernchef Vasant Narasimhan im Februar 2018 hat die Novartis-Aktie zwar gut ein Fünftel zugelegt, die europäischen Gesundheitswerte gewannen im Schnitt aber 50 Prozent. Analysten monierten überteuerte Zukäufe und Fehlschläge bei Medikamenten-Hoffnungsträgern.

"Die Abspaltung von Sandoz ist der richtige Weg für Novartis", sagte ein Fondsmanager. Er begrüsse jede Massnahme, die helfe, dass sich der Konzern auf patentgeschützte Wirkstoffe konzentrieren könne. Auch für Sandoz sei die Abspaltung richtig. Sandoz müsse dann nicht mehr um Aufmerksamkeit in einem grossen Konzern kämpfen, sondern werde zum Marktführer in einer Nische. "Bei Alcon hat die Unabhängigkeit Kräfte freigesetzt", erklärte er. "Das könnte als Blueprint für Sandoz fungieren."

(Reuters)