Es war eine nervenaufreibende Berg- und Talfahrt an den Schweizer Kapitalmärkten in den ersten gut vier Monaten des laufenden Jahres - mit einem guten Ende für Hypothekarschuldner. Nun wird eine Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) am 19. Juni von 0,25 auf 0,00 Prozent am Markt eingepreist. Denn die Jahresteuerung in der Schweiz ist im April überraschend deutlich zurückgegangen. Vom SNB-Schritt dürften alle Hypothekarnehmer profitieren. Die zehnjährigen Festhypotheken haben sich innert zweier Wochen bereits um 15 Prozent verbilligt, während die Saron-Hypothek ab 19. Juni 0,25 Prozent weniger kosten dürfte.
Die aussergewöhnlichen Verschiebung an der Zinsfront in den letzten Wochen lassen sich an der für Festhypotheken relevanten Rendite für Bundesobligationen ablesen. Lag diese Anfang Jahr bei 0,31 Prozent, zog sie im Zug der Bekanntgabe des deutschen Rüstungs- und Investitionsprogrammes Anfang März sprunghaft auf 0,77 Prozent an. Seit den Trumpschen Zollankündigungen am «Liberation Day» Anfang April flüchteten viele Anleger dann in den sicheren Hafen Schweizer Franken. Entsprechend bildeten sich die Renditen der Bundesobligationen innert Monatsfrist wieder auf 0,30 Prozent am Montag zurück.
Diese Jo-Jo-Bewegung konnte auch bei den Festhypotheken beobachten werden. Ende Februar lag das beste Angebot auf der Plattform hypotheke.ch noch bei 1,4 Prozent, ehe Mitte April zum Teil Spitzensätze bis zu 2 Prozent für eine zehnjährige Hypothek aufgerufen wurden. Mit der anhaltenden Dollarschwäche und dem unsicheren Konjunkturausblick wegen der im Raum stehenden US-Zölle sind die Angebotspreise am Montag nun wieder unter das Niveau vor zwei Monaten gesunken und stehen bei 1,3 Prozent.
Keine Einbussen bei der Attraktivität verzeichneten die kurzen Laufzeiten der zweijährigen (0,82 Prozent Zinssatz) bis fünfjährigen Festhypotheken (1,03 Prozent). Zur Erinnerung: Der tiefste Satz für eine fünfjährige Festhypotheken lag während der Negativzinsphase bei 0,81 Prozent.
Laufzeiten-Mix bleibt attraktiv
Das Zinsgefüge hat sich auch am ganz kurzen Ende verschoben. Der Swap-Sätze für drei Monate Laufzeit stehen bei 0,00 Prozent nach 0,20 Prozent vor Monatsfrist. Das bedeutet: Der hiesige Kapitalmarkt preist fest eine Zinssenkung auf 0,00 von 0,25 Prozent bei der nächsten geldpolitische Lagebeurteilung der SNB am 19. Juni ein.
Damit gewinnt die Saron-Hypothek im Vergleich zu Festhypotheken weiter an Attraktivität. Bei einem durchschnittlichen Aufschlag von 0,84 Prozent ergäbe sich bei einer Saron-Hypothek über eine Million Franken jährliche Zinskosten von 8'400 Franken, bei einer zweijährigen Festhypothek sind 8'200 Franken fällig und bei einem fünfjährigen Papier 10'300 Franken. Dem stehen im besten Fall 13'000 Franken für eine zehnjährige Festhypothek gegenüber.
Die optimale Lösung zur Immobilienfinanzierung bleibt aufgrund der Zinsstruktur über die Laufzeiten - sogenannte Zinskurve - eine Kombination aus Saron-Hypothek sowie kürzerer und langlaufender Festhypothek. Der Vorteil bei dieser Finanzierungsvariante liegt dabei nicht bei den Gesamtkosten, welche wegen des Anteils der zehnjährigen Festhypothek «höher» ausfallen. Diese Struktur weist bei genauer Betrachtung eine deutlich tiefere Schwankungsanfälligkeit aus, weshalb die gesamten Finanzierungskosten des Wohneigentums deutlich besser budgetierbar sind und Kostenüberraschungen bei einem Zinsanstieg minimiert werden können.
Saron bleibt interessant
Bei der erwarteten Zinssenkung durch die SNB im Juni dürfte es allerdings nicht bleiben. Der Saron-Swap-Satz per Ende Jahr notiert bei minus 0,18 Prozent - das bedeutet, eine Mehrheit der Marktteilnehmer erwartet eine weitere Zinssenkung von 0,00 auf minus 0,25 Prozent. Diverse Gründe sprechen dafür. Da ist einerseits der starke Franken - der Dollar und der Euro notieren weiter nahe der historischen Tiefstständen. Zudem ist die Teuerung in der Schweiz im April wie erwähnt auf null Prozent zurückgefallen. Niedrigere Preise für Erdölprodukte und Importgüter, aber auch eine schwächere Binneninflation haben zum Rückgang auf Jahresbasis beigetragen. Besonders auffällig: Der Verbraucherpreisindex (VPI) ohne Mieten sank im April auf -0,7 Prozent im Jahresvergleich.
Frederik Ducrozet, Leiter makroökonomisches Research bei Pictet Wealth Management, sieht die SNB nun stärker gefordert, als dies der Markt erwartet. «Die SNB wird die Zinsen in den negativen Bereich senken müssen, wobei eine Senkung um 50 Basispunkte an der Juni-Sitzung nicht ausgeschlossen werden kann.»
Ins gleiche Horn blasen die Experten der Investmentbank Nomura in London. Die Ökonomin Josie Anderson erwartet je eine Zinssenkung um 0,25 Prozent im Juni und im September. Nebst dem starken Franken und der tiefen Teuerung macht Anderson von Nomura zwei weitere Gründe aus, weshalb die SNB die Zinsen in den negativen Bereich drücken wird. Einerseits bestehe mehr Druck zur Senkung des Leitzinses, der durch weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) entstehen würde und andererseits werden die Zölle von Donald Trump, insbesondere auf Arzneimittel, einen negativen Effekt auf die Schweizer Wirtschaft haben, betont die Nomura-Expertin auf Anfrage gegenüber cash.ch.
Die SNB wird nicht umhinkommen, ihren Leitzins im Juni nochmalig um 25 Basispunkte auf 0,00 Prozent zu senken, meint auch Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank in einem Kommentar. Wie geht es danach weiter, sei offen. «Die SNB schliesst kein Mittel aus, um ihre geldpolitischen Ziele zu erreichen. Devisenmarktinterventionen dürften mit Blick auf mögliche US-Sanktionen allerdings nicht mehr zu den bevorzugten Mitteln gehören. Somit verbleibt die Wiedereinführung von Negativzinsen als Option. Dies muss allerdings als Mittel der letzten Wahl verstanden werden.»
Eine Zinssenkung um 50 Basispunkte wird von der SNB sicherlich diskutiert werden, meint Karsten Junius, Chefökonom der Bank J. Safra Sarasin auf Anfrage von cash.ch. «Ich halte dies nicht für notwendig, da die Geldpolitik auch bei 0 Prozent schon sehr expansiv ist. Auch sollte der Ursprung der aktuellen Niedriginflation nicht vergessen werden. Er geht auf die politischen Entscheidungen in Washington zurück und damit besteht das Risiko, dass andere politische Entscheidungen den Schock wieder abmildern.» Zentralbanken sollten in solch einer Situation besser in kleinen Schritten agieren, ergänzt Junius.
Es scheint demzufolge vieles aufgegleist, damit Saron-Hypothekarnehmer im zweiten Halbjahr von Negativzinsen profitieren könnten. Dagegen dürften sich die Kosten für langlaufende Festhypotheken nur begrenzt nach unten bewegen.
Aufgrund des erratischen Politikstils von Donald Trump seien Schuldner mit einer variablen Saron-Finanzierung allerdings gewarnt. Das Blatt könnte sich schnell wieder in die andere Richtung wenden. Falls innert vernünftiger Zeit eine Lösung im Zollstreit gefunden wird, so wäre eine weitere Zinssenkung durch die SNB nach dem Juni-Entscheid wohl obsolet. In diesem Kontext bleibt deshalb eine kombinierte Finanzierung mit kurzen, mittleren und langen Laufzeiten erste Wahl.