Es sollte eine Jahrhundert-Reform werden. Im Jahr 2021 hatten sich knapp 140 Länder darauf verständigt, die internationalen Steuerregeln für besonders grosse Konzerne neu aufzusetzen und an das Digitalzeitalter anzupassen. Doch zwei Jahre später wird immer deutlicher, dass die erste von zwei Säulen der Reform kurz vor dem Kollaps steht - und damit womöglich das gesamte Vorhaben.

Denn vor allem die USA als weltgrösste Volkswirtschaft und Heimat der mächtigsten Digitalfirmen werden die Vereinbarungen auf absehbare Zeit nicht umsetzen. Grund ist eine Blockade zwischen Republikanern und Demokraten im Kongress. Die Folge: Digitalsteuern in einzelnen Staaten werden wieder wahrscheinlicher - und zwar in jedem Land unterschiedlich.

Eigentlich sollen die bisherigen Vereinbarungen ab dem nächsten Jahr umgesetzt werden. In der ersten Säule, in der es seit längerem hakt, sollen Besteuerungsrechte für Firmengewinne im Umfang von rund 200 Milliarden Dollar neu verteilt werden - zugunsten von Ländern, in denen grosse Konzerne ihre Umsätze machen. Das sind oft Schwellenländer mit grossen Bevölkerungen.

Die 100 grössten und profitabelsten Konzerne der Welt sollen dann hier einen stärkeren Teil ihrer Steuern zahlen. Mit der zweiten Säule für eine globale Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent soll der jahrzehntelange Trend zur Nutzung von Steueroasen beendet werden. Angewendet werden soll dies für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro.

Die erste Säule sei auf einem steinigen Weg, sagt Peter Barnes, Experte für internationales Steuerrecht. "In der Tat ist es ziemlich wahrscheinlich, dass sie am Ende scheitert." Ursprünglich sollte jetzt im Juli ein internationaler Vertrag zur Umsetzung der ersten Säule feierlich unterzeichnet werden. Nun könnte es Regierungsvertretern zufolge lediglich auf ein Bekenntnis zu den Plänen hinauslaufen.

Selbst wenn die technischen Details bis Juli noch geklärt werden und die Staats- und Regierungschefs der G20-Länder dann im September bei einem Gipfel grünes Licht geben sollten, käme dies Insidern zufolge keinem Durchbruch gleich.

Flickenteppich befürchtet

Denn in den USA sind im Kongress Republikaner und auch einige Demokraten gegen Änderungen, die US-Firmen belasten würden. "Die Vereinigten Staaten werden die erste Säule nicht umsetzen", sagt ein Regierungsvertreter aus dem Umfeld der Industriestaatengruppe OECD, die die globale Steuerreform koordiniert. "Das wird nicht durch den Kongress gehen."

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte die Pläne 2021 unterstützt, um nationale Digitalsteuern zu verhindern, die sich gegen Amazon oder Apple richten. Sollten die Verhandlungen nicht weitergehen, könnte dies Konsequenzen haben. Einem anderen Regierungsvertreter zufolge gibt es mehr als 30 Länder, die bereits eigene Digitalsteuern haben oder solche planen. Sie würden ernst machen, wenn Washington nicht mehr mitziehe.

Das wäre ein grosses Problem für international agierende Digitalfirmen: Die Fragmentierung im Steuerrecht würde noch zunehmen, so Megan Funkhouser, die in der Branchenlobby ITI US-Technologiekonzerne vertritt. Die internationalen Verhandlungen müssten fortgesetzt werden, um eine Zersplitterung zu vermeiden.

US-Finanzministerin Janet Yellen hatte zuletzt auch bei der zweiten Säule Schwierigkeiten eingeräumt. Sie hoffe, dass es Bewegung gebe, sollten immer mehr andere Staaten die Mindeststeuer von 15 Prozent einführen. Dann könnten die Abgeordneten im Kongress womöglich stärker sehen, dass es Sinn mache, die Pläne umzusetzen.

Steueranwalt Barnes verweist aber auf die zerstrittenen US-Parteien: Vor 2025 werde es wohl keine Chance auf grössere Änderungen im Steuerrecht geben - also erst nach der nächsten US-Präsidentenwahl und zudem auch nur, wenn Donald Trump nicht wieder für die Republikaner ins Weisse Haus einzieht.

(Reuters)