Erwartet werden vor allem mittelfristig Konflikte in der europäischen Finanzpolitik. Kurzfristig dürfte es aber keine grösseren Verwerfungen geben. An den Finanzmärkten zeigten sich Investoren am Montag dennoch nervös.

"Italien wird wieder zum politischen Wackelkandidaten", sagte Jörg Zeuner, der Chefökonom der Fondsgesellschaft Union Investment. Spannend werde vor allem nächstes Jahr die Haushaltsplanung und deren Bewertung durch die EU. Auch die Auszahlung der milliardenschweren Hilfen aus dem Corona-Hilfstopf der EU könnte zum Zankapfel werden. Allerdings seien die hohen Schulden Italiens derzeit tragfähig. "Nur ein Achtel der Gesamtschulden muss jährlich am Kapitalmarkt frisch aufgenommen werden." Die vergangenen Jahre seien genutzt worden, um sich langfristig mit günstigen Konditionen zu refinanzieren. "Auch die hohe Inflation - wir erwarten für 2023 eine Teuerung von 6,2 Prozent für Italien - wirkt sich positiv auf die reale Schuldenlast des Landes aus."

Die Postfaschistin Giorgia Meloni wird aller Voraussicht nach erste Frau an der Spitze einer italienischen Regierung. Nach der Parlamentswahl zeichnete sich am Montag ab, dass die drittgrösste Wirtschaftsmacht in der Europäischen Union künftig von einem Rechtsbündnis unter Melonis Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) regiert wird. Zusammen mit der rechten Lega des ehemaligen Innenministers Matteo Salvini und der Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi kommen die Fratelli auf eine komfortable Mehrheit. Das Bündnis ist die rechteste Regierung Italiens seit dem Zweiten Weltkrieg.

Für Italien wird es jetzt teurer, Schulden am Kapitalmarkt aufzunehmen. Die Rendite zehnjähriger Anleihen stieg am Montag auf ein Neun-Jahres-Hoch von 4,497 Prozent. Der Euro stand unter Druck und fiel zeitweise um bis zu 1,3 Prozent auf ein 20-Jahres-Tief von 0,9565 Dollar.

Die erste wichtige Entscheidung Melonis werde die Ernennung des Finanzministers sein, wobei eine pro-europäische, fiskalisch vorsichtige Persönlichkeit vorerst als wahrscheinlich gelte, sagte Ökonomin Giada Giani von der Citibank. "Wir rechnen nicht mit einem sofortigen Vorstoss für eine grössere finanzpolitische Lockerung. Aber wir sehen mittelfristig das Risiko, dass die politische Agenda der Rechten mit den EU-Zielen kollidiert." Thomas Gitzel, Chefökonom der Liechtensteiner VP Bank sagte, der politische Gegenwind aus Italien werde jetzt grösser. Steuersenkungen seien geplant. Konflikte dürfte es beim EU-Stabilitätspakt geben, der die Schulden in Europa begrenzen soll.

(Reuters)