Die Geldmarktpolitische Sitzung der Schweizerischen Notenbank (SNB) stand am letzten Donnerstag ganz unter dem Fokus der staatlich verordneten Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Unklar blieb bis zuletzt, ob die SNB von ihrem Straffungskurs bei den Zinsen wegen der Notübernahme abweichen würde. 

Das Signal vom Bürkliplatz fiel dann klarer aus als erwartet. Bei der Begründung des Zinsschrittes sagte Thomas Jordan, Präsident der Nationalbank auf Frage von cash.ch:  "Die Inflationsbekämpfung hat erste Priorität" und fügte an, dass Zweit- und Drittrundeneffekte unbedingt vermieden werden müssten. Dabei handelt es sich um Preiserhöhungen als Reaktion auf vorangegangene Kostensteigerungen. Ein Zweitrundeneffekts ist zum Beispiel, wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften auf die gestiegene Inflation reagieren und deswegen höhere Löhne vereinbaren.

Entsprechend gehen die von cash.ch befragten Ökonomen von verschiedenen Schweizer Banken mehrheitlich von  einer oder zwei Zinserhöhungen in der Schweiz aus. Thomas Gitzel, Chefökonom bei der VP Bank, hält dazu fest: Die Aussagen der Nationalbank seien ein klarer Hinweis darauf, dass auf den nächsten Sitzungen weitere Zinserhöhungen folgen werden. Fünf von sechs Banken davon aus, dass die Zinsen noch einmal angehoben werden.

  20.06.2023* 22.09.2023* 14.12.2023*
Credit Suisse 2,00 % 2,25 % 2,25 %
Raiffeisen 1,50 % 1,50 % 1,50 %
UBS 1,75 % 1,75 % 1,75 %
Vontobel 2,00 % 2,00 % 2,00 %
VP Bank 1,75 % 2,00 % 2,00 %
Zürcher Kantonalbank 1,75 % 1,75 % 1,75 %

* Datum Geldmarktpolitische Sitzung Schweizerische Nationalbank

Interessant an obenstehender Tabelle mit den Prognosen ist, dass keine der befragten Banken die Leitzinserwartung nach dem Entscheid der SNB nach oben angepasst hat. Demnach dürfte der Zinsgipfel in der Schweiz im zweiten Halbjahr erreicht werden. 

Die Credit Suisse hat die höchste Schätzung und erwartet für den Leitzins einen Spitzensatz von 2,25 Prozent per Ende Jahr. "Wir gehen davon aus, dass sich die Inflation im Jahresvergleich zum Jahresende im Dezember wieder auf 2,0 Prozent beschleunigen wird. Deshalb erscheint uns ein Leitzins von 2,25 Prozent als gerechtfertigt, so Maxime Botteron, Ökonom bei der Credit Suisse.

Die Bank Vontobel geht aktuell von zwei Szenarien aus, wie Reto Cueni, Chefökonom Vontobel darlegt. "Vorausschauend dürfte die SNB weiterhin ihre Zinsstrategie an die kommenden Inflations- und Konjunkturdaten knüpfen, wobei allen klar ist, dass weitere Verwerfungen an den Kapitalmärkten auch die SNB-Zinspolitik beeinflussen würden. Im 'normalen' Fall ohne weitere Verwerfungen an den Kapitalmärkten dürfte die Zinsspitze von 2 Prozent im Juni erreichen sein." Bei weiteren Problemen im Finanzsystem könnte andererseits bereits die aktuellen 1,5 Prozent den maximalen Leitzins darstellen.

Raiffeisen-Szenario lässt Saron-Schuldner hoffen

Die Raiffeisenbank Schweiz tanzt mit ihrer Prognose aus der Reihe. Martin Koch vom Economic Research erwartet, dass die Nationalbank keine weitere Zinserhöhung vornehmen wird. "Die Unsicherheit über den Preisausblick wird als sehr hoch gewertet. Und bis zum nächsten Zinsentscheid ist noch ein Vierteljahr Zeit. Bis dahin sehen wir weiterhin gute Chancen, dass sich das Preisumfeld ausreichend beruhigt und doch keine weitere Zinsanhebung nötig sein wird", so der Raiffeisen-Experte. 

Die Prognose begründet Koch damit, dass "die Vorlaufindikatoren für die Schweizer Inflation zuletzt zusehends eine bevorstehende Trendwende bei der Preisdynamik signalisieren". Die Lieferengpässe flauten rasch ab und der Preisdruck beruhige sich angeführt durch eine massive Korrektur der Energiepreise. Dies habe die Preiserwartungen der Hersteller und auch der Grosshändler mittlerweile deutlich sinken lassen.

Die Credit Suisse, welche den stärksten Anstieg vorsieht, erwartet ab 2024, dass sich die Zinsen rückläufig bewegen werden. Die Geldpolitik sei genügend restriktiv, so dass der Leitsatz dann auf 2,00 Prozent gesenkt werden könne. 

Thomas Daniel Marti
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