Die deutsche Wirtschaft ist im dritten Quartal nicht gewachsen. Das Bruttoinlandsprodukt stagnierte von Juli bis September auf dem Niveau des Vorquartals, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag zu seiner ersten Schätzung mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten dies erwartet. Sie sagten in ersten Kommentaren:

Philip Scheuermeyer, KFW

«Wir sollten diese Zahl (0,0 Prozent) grundsätzlich nicht zu hoch hängen. Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass die ersten Wachstumsberechnungen sehr revisionsanfällig sind. Aus einer Quasi-Stagnation in den Jahren 2023 und 2024 wurde im Nachhinein eine deutliche Rezession. Wie der Name schon sagt, handelt es sich auch bei den ersten offiziellen Wachstumsraten nur um Schätzungen, die auf unvollständigen Daten beruhen. Entscheidend ist das Gesamtbild aus den Wachstumszahlen und den sogenannten weichen Indikatoren aus Unternehmensbefragungen wie dem Einkaufsmanagerindex oder dem Ifo-Geschäftsklima. Gemessen daran ergibt sich für das dritte Quartal allerdings auch ein nur durchwachsenes Konjunkturbild, das grob zu der gemeldeten Stagnation passt.»

Alexander Krüger, Chefökonom Hauch Aufhäuser Lampe

«Die Wirtschaftsaktivität zeigt weiterhin grosse Tristesse. Durch den US-Zollschock und den intensiven Wettbewerb mit China wird es die exportorientierte Industrie weiter schwer haben. Gewisse Besserung ist mit dem Fiskalpaket der Bundesregierung zwar in Sicht. Langfristig ist das aber nur der Fall, wenn es nicht weiter zum Stopfen von Haushaltslöchern herangezogen wird. Das Ziel muss es sein, mit Investitionen einen höheren Wachstumspfad zu erreichen. Ein Heilmittel gegen Stagnation ist das Fiskalpaket also nur bei vorwiegend investiver Verwendung. Danach sieht es zurzeit aber nicht aus, weshalb nicht mehr als ein konjunkturelles Strohfeuer winkt. Die so wichtigen Strukturreformen ersetzt das Fiskalpaket nicht. Diesbezüglich ist der 'Herbst der Reformen' bis dato ein Reinfall.» 

Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank

«Die Stagnation des deutschen Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal bestätigt das grosse Bild, dass es mit der deutschen Wirtschaft wegen der schlechten Standortqualität und des aufgekommenen Protektionismus bisher nicht bergauf geht. Die sich immer stärker abzeichnende Schwäche im zweiten Halbjahr senkt die Ausgangsbasis für unsere 2026er Wachstumsprognose, die wir leicht von 1,4 auf 1,2 Prozent senken. Wir erwarten aber weiter, dass das Fiskalpaket der Bundesregierung die Konjunktur 2026 spürbar anschieben wird.»

Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank

«Wichtige Konjunkturfrühindikatoren begaben sich zuletzt auf Erholungskurs. Dies lässt darauf schliessen, dass es in den kommenden Quartalen positive Wachstumsraten geben wird. Dies soll nun aber nicht heissen, dass es zu einem stürmischen Wachstum kommen wird. Vielmehr dürfte sich die Wachstumsraten in kleinen Schritten erholen. Massgeblicher Anteil daran werden höhere Rüstungs- und Infrastrukturausgaben der deutschen Bundesregierung haben. Aber auch die Zinssenkungen der EZB werden in den kommenden Quartalen die Bauinvestitionen wieder etwas beleben. Der Gegenwind vom Export wird derweil aber anhalten.»

Christian Lips, Chefökonom NordLB

«Wenig überraschend ist die Belastung durch den Exportrückgang, dies konnte aber offenbar durch die binnenwirtschaftliche Entwicklung kompensiert werden. Besonders erfreulich ist das Anziehen der Ausrüstungsinvestitionen, insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Unsicherheit und externen Belastungen. Den Belastungen am aktuellen Rand steht die Aussicht auf eine deutliche Belebung der Konjunktur durch das Fiskalpaket und die Steigerung der Investitionen gegenüber. Entsprechend hellen sich bereits jetzt die Geschäfts- und Konjunkturerwartungen auf. Für 2026 erwarten wir weiterhin ein Wirtschaftswachstum von gut 1 Prozent für Deutschland.»

Lils Jannsen, Leiter Konjunktur Deutschland am Kiel Institut für Weltwirtschaft

«Zuletzt hat der Zollkonflikt mit den USA belastet, ablesbar an den deutlichen Rückgängen der Exporte in die USA. Viel schwerer wiegen jedoch strukturelle Hemmnisse, die die wirtschaftliche Aktivität bereits seit geraumer Zeit lähmen. Ablesbar ist dies schon an der im internationalen Vergleich bereits seit Jahren schwachen Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts. Die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen hat sich allgemein spürbar verschlechtert, entsprechend verlieren sie massiv an Marktanteilen. Zudem hält die hohe wirtschaftspolitische Unsicherheit die Unternehmen bereits seit längerem von Investitionen ab. Ohne substanzielle Reformen wird die Wachstumsdynamik somit schwach bleiben.»

Robin Winkler, Deutschland-Chefökonom der Deutschen Bank

«Die deutsche Konjunktur hat sich im dritten Quartal zumindest stabilisiert. Die heftigen Gegenwinde im Aussenhandel wurden durch die anziehende Investitionstätigkeit der deutschen Unternehmen kompensiert. Die neuen Abschreibungsregeln scheinen erste Wirkung zu zeigen. Die Aussichten für das vierte Quartal sind besser: Die staatlichen Ausgaben dürften nun von Monat zu Monat kontinuierlich steigen und die Unsicherheit in der globalen Handelspolitik dürfte allmählich abklingen. Die Unternehmensbefragungen im Oktober stimmen uns zuversichtlich, dass eine Konjunkturerholung nun endlich kurz bevorsteht.»

Carsten Brzeski, Chefökonom der ING Bank

«Abgesehen von der abgeschwächten Wirkung der Konjunkturprogramme ringt die Regierung weiterhin mit der Einigung auf die weitreichenden Reformen, die zur strukturellen Stärkung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit notwendig sind. Bundeskanzler Friedrich Merz hat einen 'Reform-Herbst' versprochen. Bislang hat die Regierung dieses Versprechen nicht nur nicht eingelöst, sondern scheint auch in einem makroökonomischen Modell des 20. Jahrhunderts festzustecken und keinen klaren Plan für die Transformation der deutschen Wirtschaft ins 21. Jahrhundert zu haben.»

Jens-Oliver Niklasch, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg

«Das Ergebnis entspricht den bescheidenen Erwartungen. Es läuft weiterhin nicht in Deutschland. Konkret war es im dritten Quartal der Aussenhandel, der das Gesamtergebnis belastete. Immerhin: Steigende Investitionen sind ein Lichtblick. Allerdings müsste sich hier ein über längere Zeit stabiler Trend etablieren. Das deutsche Ergebnis wirkt zudem deswegen besonders trist, weil es offenbar in den anderen Ländern des Euroraums besser läuft. (...) Wachstumsfördernde Reformen sind das Gebot der Stunde.»

(Reuters/AWP)