In wenigen Stunden kommen in Wien die Vertreter der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) zusammen. Die Lage ist ernst: Alleine seit Mitte Juni hat der Preis für ein Fass Rohöl der Sorte Brent Crude über 30 Prozent auf zuletzt 77,87 Dollar eingebüsst. Am Donnerstag geben die Ölpreise erneut nach und fallen auf den tiefsten Stand seit vier Jahren.

Ob und in welchem Ausmass sich das Ölkartell zu einer Drosselung der Fördermenge durchringen kann, um dem Preiszerfall Herr zu werden, bleibt allerdings unklar. In den vergangenen Tagen liessen die Vertreter einzelner Länder zwar durchblicken, mit welcher Position sie in die Verhandlungen gehen. Über das Ergebnis des Treffens lässt sich dennoch nur spekulieren.

Saudi Arabien im Dilemma

Bei Barclays Capital erklärt man sich diese Zurückhaltung damit, dass die OPEC-Länder an Einfluss auf den Ölpreis verloren haben. Das gewaltige Produktionswachstum in anderen nicht der Organisation angehörenden Fördernationen lasse selbst im Fall einer bedeutenden Reduktion der Fördermenge weiterhin rückläufige Ölnotierungen vermuten.

Wie die Rohstoffstrategen schreiben, verfügt insbesondere Saudi Arabien über die nötigen Finanzen um eine längere von einem tiefen Ölpreis geprägte Phase durchzustehen. Den dortigen Entscheidungsträgern sei durchaus bewusst, dass eine grössere Kürzung der Fördermenge den Aussichten des Landes schade. Gleichzeitig müsse Saudi Arabien der verletzlichen Situation der Weltwirtschaft sowie der langfristigen Pflege der Erdölnachfrage gerecht werden.

Gleichzeitig verkompliziere die Geschwindigkeit des Ölpreiszerfalls genauso wie die seit 2011 zu beobachtenden Veränderungen bei den Produktionskapazitäten eine angemessene Reaktion. Dazu komme das in den letzten Jahren schwieriger gewordene Verhältnis unter den einzelnen OPEC-Ländern.

Weitere Grossbank geht bei den Ölpreisprognosen über die Bücher

Die Strategen von Barclays Capital schliessen deshalb nicht aus, dass der Rohölpreis um weitere 10 Dollar je Fass fallen wird, bevor er Boden findet.

Auch bei Société Générale stösst man sich an den von Zurückhaltung geprägten Signalen Saudi Arabiens. Als eine der führenden Fördernationen mache das Land keine Anstalten, sich für eine Drosselung der Produktionsmenge stark zu machen. Aus diesem Grund streicht die französische Grossbank ihre Prognosen für Rohöl der Sorte WTI für die Jahre 2015 und 2016 auf 65 Dollar je Fass zusammen. Vom aktuellen Ölpreis aus betrachtet, entspricht dies einem weiteren Rückgang von gut 10 Prozent.

Die beiden Grossbanken befinden sich mit ihrer pessimistischen Haltung in bester Gesellschaft mit anderen Bankinstituten. Und auch die Rohstoffmärkte scheinen sich beim Rohöl auf einen anhaltenden Preiszerfall hin positioniert zu haben, was für gewöhnlich eher gegen einen erneuten Rückschlag spricht.