An einem Werktag im November in der ukrainischen Stadt Tschernihiw schrillt eine Luftschutzsirene in die morgendliche Geschäftigkeit in einer Filiale von Nova Post. Filialleiter Ihor Schutkowskyj führt die Mitarbeitenden und Kunden in einen Schutzraum ‌aus Beton. ‌Wenige Minuten später, nach der Entwarnung, steht das Team wieder hinter dem Schalter und sortiert Pakete.

Raketenangriffe, Stromausfälle und unterbrochene Transportwege gehören für das private Logistikunternehmen seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine vor fast vier Jahren zum Alltag. Dennoch ist Nova Post eine der seltenen Erfolgsgeschichten ukrainischer Unternehmen ​ausserhalb des Rüstungssektors.

Täglich stellt die Firma mehr als 1,5 Millionen Pakete zu, im Weihnachtsgeschäft ‌sind es noch mehr. «Wir ändern unsere Prozesse, passen uns an Stromausfälle ‌und an die Kriegszeit an», erzählt Hanna Hontschar, Regionalleiterin von Nova Post in Tschernihiw. In der Filiale stapeln sich die Pakete mit Schokolade, Büchern, Generatoren und Möbelstücken.

Um den Betrieb aufrechtzuerhalten, hat das Unternehmen massiv in Notstromaggregate und Starlink-Satelliteninternet investiert. «Wenn der Strom ausfällt oder wir einen Blackout haben, haben wir einen Generator und Starlink. Selbst wenn es in der Stadt kein Internet gibt, verbinden wir ⁠Starlink und arbeiten», sagt Filialleiter Schutkowskyj.

Zerstörte Filialen, zerstörte Pakete

Im Chaos des Krieges verbindet Nova Post die westlichen Landesteile der Ukraine mit den Frontstädten im Osten und Süden und versorgt auch Millionen ukrainische Flüchtlinge im Ausland. Gegründet 2001 revolutionierte das Unternehmen den Postdienst mit Lieferzeiten von ein ​bis zwei Tagen und forderte damit den staatlichen Anbieter Ukrposhta heraus.

«Die Kriegsjahre sind für unsere Entwicklung ‌nicht weniger beeindruckend als die frühen 2010er Jahre, in denen das Unternehmen jedes ‍Jahr um das Dreifache wuchs», erläutert Mitbegründer und Miteigentümer von Nova Post, Wjatscheslaw Klymow, der Nachrichtenagentur Reuters in der Unternehmenszentrale in Kiew.

Im vergangenen Jahr lieferte Nova Post ​rund 480 Millionen Sendungen aus, 16 Prozent mehr als im Vorjahr, und für das laufende Jahr wird ein weiteres zweistelliges Wachstum erwartet. Der Nettogewinn stieg in den ersten neun Monaten 2025 um rund 35 Prozent auf umgerechnet etwa 58 Millionen Euro.

Das Unternehmen beschäftigt rund ‌30.000 Beschäftigte und hat sein Filialnetz auf rund 15.000 Standorte ausgeweitet. Im vergangenen ⁠Jahr waren es noch etwa 13.200 Filialen gewesen. Das Wachstum beschränkt sich nicht auf ‌die Ukraine: «Zu Kriegsbeginn waren wir in zwei Ländern vertreten – der Ukraine und Moldau. Jetzt sind wir in 16 Ländern», sagt Klymow.

Der Erfolg hat jedoch einen hohen ‍Preis. Seit Beginn der russischen Invasion hat das Unternehmen 249 Beschäftigte verloren, von denen 227 als eingezogene Soldaten im Kampf getötet wurden. Weitere 22 zivile Angestellte starben bei russischen Angriffen auf Städte, fernab der Frontlinien.

Die finanziellen Kosten ​durch Hunderte beschädigte Filialen und rund 138.000 zerstörte Pakete belaufen sich auf umgerechnet rund 81 Millionen Euro. ‍Trotz der Risiken ist Nova Post oft eines der letzten Unternehmen, die sich aus umkämpften Städten an der Front zurückziehen. So schloss das Unternehmen erst im Februar die letzte seiner zehn Filialen in der belagerten Stadt Pokrowsk im Osten der Ukraine.

(Reuters)