«Wir versuchen zu verstehen, woran es fehlte», sagte Bundesrat Parmelin dem Westschweizer Radio RTS über die erfolglosen Verhandlungen. Der Bundesrat könne jederzeit eine Sitzung abhalten und werde sehr schnell in Erfahrung bringen, worum es gehe, welches Problem der Entscheidung des US-Präsidenten zugrunde gelegen habe, sagte Parmelin. «Wir werden alles versuchen, um unseren guten Willen zu zeigen und unser Angebot zu überarbeiten», betonte er.
Der Bundesrat war nach dem zwischen der Schweiz und den USA vereinbarten und am 4. Juli vom Kollegium gebilligten Entwurf einer Absichtserklärung zuversichtlich, dass es bei den Zollverhandlungen zu einem positiven Ergebnis kommen werde. Diese Erklärung, die nach monatelangen Gesprächen zustande gekommen war, sei in gutem Glauben ausgehandelt worden, sagte Parmelin. Er sei bereit, in die USA zu reisen, wenn diese es verlangten.
Die US-Regierung will künftig Einfuhrzölle von 39 Prozent auf Importe von Schweizer Waren erheben. So stand es in einer Liste, die das Weisse Haus in der Nacht auf Freitag veröffentlicht hatte. In Kraft treten soll die Massnahme am 7. August. Damit liegt der auf der Liste aufgeführte Zollsatz für die Schweiz sogar noch höher als im April von Trump angekündigt: Damals war von einem Importzoll in der Höhe von 31 Prozent die Rede.
US-Präsident spricht von «riesigem Defizit»
US-Präsident Trump bezeichnete das Handelsdefizit mit der Schweiz am Freitagabend als «riesig». Das Problem mit der Schweiz bestehe darin, «dass wir ein Defizit von 40 Milliarden Dollar haben», zitierten die italienischen Nachrichtenagenturen Ansa und Adnkronos den US-Präsidenten. Trump habe dies vor seiner Reise nach New Jersey vor den Medien gesagt, als er nach dem Grund für die hohen Zölle von 39 Prozent für die Schweiz gefragt worden sei.
Der Bund dementierte umgehend. Trump fokussiert gemäss Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter beim Zoll-Entscheid nur auf das Handelsbilanzdefizit von angeblich fast 40 Milliarden Franken. Für die Landesregierung ist die bilaterale Handelsbilanz aber ausgeglichen.
Die USA hätten einen Überschuss bei Dienstleistungsexporten, die Schweiz bei Warenexporten, hiess es am Samstag vonseiten des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) von Bundesrat Parmelin. Der Warenexportüberschuss der Schweiz sei «in keiner Weise in 'unfairen' Handelspraktiken begründet». Im Gegenteil: Die Schweiz habe alle Industriezölle per 1. Januar 2024 unilateral abgeschafft.
Über 99 Prozent aller Waren aus den USA könnten somit zollfrei in die Schweiz importiert werden, hiess es. Die Schweiz praktiziere «keine marktverzerrenden Industriesubventionen». Man setze sich weiterhin für diversifizierte Handelsbeziehungen mit allen internationalen Partnern sowie für offene Märkte und stabile Rahmenbedingungen ein.
Konjunkturforscher erwartet Stellenabbau
Der Wirtschaftsprofessor Hans Gersbach warnt vor den Folgen der Zölle für den Schweizer Arbeitsmarkt. Sollten die angekündigten 39 Prozent eingeführt werden, rechnet er schon in den nächsten Monaten mit einem «massiven Anstieg» der Kurzarbeit und einem Personalabbau.
Weil die Zölle die Wettbewerbsposition der Schweizer Produzenten so stark verschlechtern würden, werde es in den Schlüsselindustrien Arbeitsplatzeffekte geben, sagte der Co-Direktor der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen.
Sollte es zu Produktionsverlagerungen kommen, hätte dies Gersbach zufolge zusätzliche Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt. Entscheidend sei nun der Umgang mit der Pharmaindustrie, zumal sie mehr als die Hälfte der Warenexporte in die USA ausmache. Sollte auch sie belastet werden, hätte das Gersbachs Berechnungen zufolge einen «scharfen Rückgang» des Bruttoinlandproduktes von mindestens 0,7 Prozent zur Folge.
Zunächst müsse aber weiterhin mit Hochdruck versucht werden, eine Einigung mit Trump zu erreichen, wurde Gersbach weiter zitiert. «Oberste Priorität hat jetzt, trotzdem einen Deal zu suchen, um diese extremen Zölle doch noch abzuwenden», sagte er.
(AWP)