Rente oder Kapital? Mit dieser Frage tun sich viele der angehenden Rentnerinnen und Rentner erfahrungsgemäss schwer. Der Umwandlungssatz ist in den vergangenen Jahren bei manchen Pensionskassen gesunken. Deshalb gibt es weniger Rente. Das erhöht erst recht den Anreiz, sich das Kapital auszahlen zu lassen, statt sich lebenslänglich mit der tieferen Rente zu begnügen.
Doch nun zur Gretchenfrage: Wie soll das Geld angelegt werden? Banken und Versicherungen fehlt es nicht an Vorschlägen. Das Konsumentenmagazin «Saldo» berichtete kürzlich von einem abenteuerlichen Fall. Da hat der Versicherungsagent seinem Kunden empfohlen, die 200'000 Franken in zwei Anlageprodukten anzulegen: Das erste Produkt heisst «Capital Certificate Tranche 17», das zweite «Zurich Invest Auszahlungsplan».
Spätestens beim Begriff «Certificate» müssten auch bei Unbedarften die Alarmglocken läuten. Hat man aus der Lehman-Pleite nichts gelernt? Damals, vor 15 Jahren, guckten auch hierzulande viele Privatanleger in die Röhre, weil sie Zertifikate von Lehman Brothers im Portefeuille hatten. Beim Capital Certificate ist der Emittent die französische Bank BNP Paribas. Auch «Too big to fail»-Banken können pleitegehen, wie wir inzwischen wissen. Das sollte auch Versicherungsberatern nicht entgangen sein.
Zertifikate sind eine Inhaberschuldverschreibung und können wie Anleihen komplett ausfallen, wenn der Herausgeber die Segel streicht. Anlagefonds hingegen figurieren nicht in den Bilanzen der entsprechenden Bank. Es sind geschützte Sondervermögen.
Weniger riskant ist das zweite, im «Saldo» beschriebene Produkt: der «Zurich Invest Auszahlungsplan». Weniger riskant heisst aber auch, dass gegen oben nicht viel Fantasie besteht. Hier wird das Geld in Wertschriften angelegt und dann während einer bestimmten Periode regelmässig ausbezahlt. Aber eben nur während einer bestimmten Periode und nicht lebenslänglich wie bei der PK-Rente.
Die Frage lautet hier, ob man das Geld wirklich so gut anlegen kann, damit nach Kosten eine positive Rendite resultiert. Vielleicht, vielleicht auch nicht. So oder so wird es schwierig. Und die Rendite – wenns überhaupt eine gibt – wird im Vergleich zum Risiko nicht berauschend sein, denn der Versicherungsagent will beim Verkauf dieses Produkts mitverdienen.
Die Alternative wäre, das Geld auf dem Konto zu lassen und Jahr für Jahr einen bestimmten Betrag abzuheben. Unter dem Strich wäre das vermutlich die günstigere, mit Sicherheit die verlässlichere Version als ein von einem Geldinstitut herausgegebener Auszahlungsplan.
So oder so ist es ratsam, sich vor dem Kapitalbezug Gedanken darüber zu machen, wie der stolze Batzen der Pensionskasse angelegt werden soll. Vielleicht ist die Rente eben doch vorzuziehen.
9 Kommentare
Ich sehe den Bezug der Rente kritischer als die meisten Kommentare hier. Wenn ich nur noch die AHV als Einkommen versteuere, habe ich quasi eine staatlich garantierte "Rendite". Dies, weil über ein paar wenige Jahre, die jährlichen Einkommenssteuern den einmaligen Betrag für den Kapitalbezug Jahr für Jahr übersteigen.
Das Vermögen ist defensiv anzulegen. Im Alter ist finanzielle Stabilität wichtiger als eine Rendite die hohe Risiken beinhaltet.
Herr Chatelain, als Stiftungsrat (Arbeitnehmer) einer firmeneigenen PK (ca. 460 Angestellte) aus einer Nichthochlohnbranche wird auch mir immer mal wieder diese Frage von Arbeitskolleginnen und -Kollegen gestellt.
Mein Rat ist in den meisten Fälle die Rente, weil die allermeisten Mitarbeiter nicht wirklich etwas von Vermögensanlagen verstehen. Und wie sie selbst so schön geschrieben haben, sieht es bei manchem "Profi" nicht viel besser aus, was aber natürlich ziemlich verheerend sein kann. Denn da geht es um Kundengelder, nicht um das eigene dieser sogenannten Profis.
Dazu muss ich aber noch erwähnen, dass unsere Mitarbeiter - ausser dem Kader - in den wenigsten Fällen (weil in unserer Branche eben keine hohen Löhne bezahlt werden können) viel überobligatorisches Kapital ansparen können.
Da macht es einfach Sinn, die sichere Rente zu wählen. Nur Versicherer, Banken oder irgendwelche Berater erzählen das Gegenteil, weil sie ja ansonsten kein Geschäft machen können.
Das einzige, dass sich durch solche Falschberatungen in Zukunft vermehren wird, ist doch die Anzahl der EL-Bezüger.
Klar, dass regelmässige Cashleser da anders denken mögen, aber das liegt nun mal daran, dass sich diese auch stark mit Geldangelegenheiten beschäftigen
Und nein, unseren Angestellten sind im Normalfall nicht nur "Zertifikate" nicht geläufig sondern selbst Namen wie Lehman Brothers. Gerade jüngere Angestellte wissen schon gar nicht, was es mit diesem Namen auf sich hat.
Langer Rede kurzer Sinn: Nicht nur für unsere, auch für die allermeisten Angestellten in der Schweiz macht die Rente viel mehr Sinn. Allenfalls über einen Bezug des überobligatorischen Kapitals sollte gesprochen werden. Aber eben nur dann, wenn der vor der Pension Stehende einigermassen weiss, dass er selbst einen guten, verlässlichen Anlageberater für diese Gelder finden muss.
jonny1: Danke für Ihre Ausführungen. Ich stimme Ihnen zu 100% zu. Die Rente ist die versicherungs- und vorsorgetechnisch richtige Lösung. Jedoch: Die Möglichkeit, "einmal im Leben ein grösseres Kapital zur Verfügung zu haben", lockt, und die Finanzindustrie nützt das weidlich und unverantwortlich aus. - In den 20 Jahren, die wir in Spanien verbrachten, lernten wir doch eine ganze Anzahl Schweizer kennen, die sich das Vorsorgekapital auszahlen liessen (auch junge, sogenannt Selbständige), dann wie die Könige in Spanien lebten und sich auch so gebärdeten, jedoch nach ein paar Jahren abgebrannt in die Schweiz zurückzogen, ohne Vermögen und ohne Altersvorsorge. In Spanien wie anderswo im Ausland ist King, wer Geld hat. Wer keins (mehr) hat, landet in der Grosse. Das Fatale daran ist, dass die Wirkungen dieser Fehlentwicklungen erst später, nach Jahren, spürbar werden.
Und zu den Anlageprodukteverkäufern der Finanzindustrie: Am Anfang hat der Kunde das Geld und die Bank die Erfahrung. Nach einer gewissen Zeit ist es umgekehrt.
Die Senkung der Umwandlungssätze sollte man eher so auffassen, dass es bei der Pensionierung kein Geschenk mehr von den Aktiven gibt und nicht dass einem etwas weggenommen wird was man verdient hätte.
Vor diesem Hintergrund sollte ein jeder genau prüfen ob er mit Kapitalbezug besser fährt als mit Rente.
Stichworte: Langlebigkeitsrisiko inkl. Witwenrente, Risiko von Anlagefehlentscheiden, Risiko ungünstiger Renditeverlauf, etc.
Teilbezug für Amortisation einer Hypothek kann Sinn ergeben..
Immer erfrischend, ehrlich und korrekt wie Sie kommentieren. Danke.
Leider ist BVG nicht für ALLE zwingend, sondern nur für Angestellte AN. Zudem über 1600 PK Kassen, dass kann nicht effizient und produktive sein. Selbstständige können eine PK haben, müssen aber nicht und tun es oft auch nicht. Man kann ja auf EL spekulieren.
Erwerbslose, Arbeitslose, Ausgesteuerte (über 250'000 Ü50) und ausgeschiedene habe keine Wahl, da ein BVG an Arbeitgeber gekoppelt sind und nicht vollumfänglich (ggf mit Sistierung des Sparanteils) weitergeführt werden können.
Sie erhalten ihr Geld als Freizügikeitskapital auf das Finanzberater und Versicherungsagenten scharf sind um da mit eher unbrauchbare Lösungen abzuschöpfen.
Hände weg davon, gut rechnen, eigenen individuellen Plan/Strategie zurechtlegen und die versteckten Prämien gut Anlegen.
Einer davon kann sein, sich im Alter ganz oder teilweise in Bürgerorientierter Kostengünstiger Länder nieder zu lassen und dort Steuern zu entrichten. Wenn es scheitert, kann man immer noch zurück in die Schweiz und selbst als ehemaliger Multimilliönar EL beantragen.