Der Peronist und Wirtschaftsminister Sergio Massa gewann überraschend die erste Runde der Präsidentenwahl am Sonntag vor dem ultrarechten und populistischen Ökonom Javier Milei. Massa lag nach Auszählung von fast 98 Prozent der Stimmen mit 36,6 Prozent vor Milei mit knapp über 30 Prozent. Die Konservative Patricia Bullrich kam auf 23,8 Prozent und ist damit aus dem Rennen. Bei der Stichwahl am 19. November treten Massa und Milei mit zwei gegensätzlichen Wirtschaftsmodellen für das Land an, das unter der stärksten ökonomischen Krise seit zwei Jahrzehnten leidet. Der neue Präsident übernimmt im Dezember das Amt - vor dem Hintergrund einer dreistelligen Inflation, steigender Armut und einer Währung im freien Fall.
«Ich weiss, dass viele derjenigen, die für uns gestimmt haben, diejenigen sind, die am meisten leiden», sagte der 51-jährige Massa. «Unser Land befindet sich in einer komplexen, schwierigen Situation voller Herausforderungen.» Er werde dies angehen und die Menschen nicht im Stich lassen.
Mit Massa und Milei treffen vor allem grundverschiedene Konzepte auf einander, wie die schwächelnde Wirtschaft auf Kurs gebracht und umstrukturiert werden sollte. Massa will das wachsende Haushaltsloch der Regierung in den Griff bekommen und die Reserven der Notenbank stärken. Der Minister steht für eine finanzmarktfreundlichere Variante des sogenannten Peronismus. Dies ist eine politische Strömung in Anlehnung an den früheren Präsidenten Juan Peron, die seit Jahrzehnten - abgewandelt - Argentiniens politische Landschaft dominiert. Massa pflegt auch Kontakte zu ausländischen Geschäftsleuten und zur US-Regierung.
Ex-Rocker will Kettensäge bei Staat und Wirtschaft anlegen
Der ehemalige Rock-Musiker Milei hat im Wahlkampf dafür geworben, die Zentralbank zu schliessen und die Wirtschaft auf den Dollar umzustellen, um die massive Inflation zu senken. Der 53-jährige Ökonom will bei einigen Strukturen des Staates die Kettensäge anlegen und hat das entsprechende Werkzeug dazu bei Kundgebungen mitgebracht. «Er hat es geschafft, etwas wiederherzustellen, was in der argentinischen Politik verloren gegangen ist, nämlich dass er Hoffnung verbreitet», sagte vor kurzem Juan Luis Gonzalez, ein argentinischer Journalist, der ein Buch über Milei geschrieben hat - mit dem Titel «El Loco» («Der Verrückte»). Milei selbst betonte nach der ersten Runde, er wolle weiterkämpfen, um in der Stichwahl zu siegen. «Wir stehen vor der wichtigsten Wahl der letzten 100 Jahre», sagte er. «Wenn wir zusammenarbeiten, können wir gewinnen, wenn wir zusammenarbeiten, können wir unser Land wieder aufbauen.»
Für einen klaren Sieg am Sonntag hätte ein Kandidat mehr als 45 Prozent der Stimmen benötigt oder 40 Prozent und einen Vorsprung von zehn Prozentpunkten. Die Wahlbeteiligung lag den Behörden zufolge bei rund 74 Prozent und damit unter den 81 Prozent beim vorigen Urnengang. Die Argentinierinnen und Argentinier wählten auch 130 der 257 Sitze im Abgeordnetenhaus und 24 Senatoren des Oberhauses mit 72 Mitgliedern.
Die nach Brasilien zweitgrösste Volkswirtschaft Südamerikas ist ein wichtiger Exporteur von Soja, Mais sowie Rindfleisch und verfügt über grosse Lithium- und Schiefergasvorkommen.
(Reuters)