In Basel geht offenbar die Sorge um den Pharmastandort herum. «Verschiebungen ins Ausland» sollen verhindert und dazu entsprechende Massnahmen eingeleitet werden, schreibt Eva Herzog, Ständerätin des Kantons Basel-Stadt, in einem parlamentarischen Vorstoss. Dessen Auslöser ist die Gemengelage gewesen, mit der sich die pharmazeutische Industrie befasst sieht: Der internationale Zollstreit ausgehend von den Vereinigten Staaten, die Regulierung der Medikamentenpreise in den USA, doch beispielsweise auch die OECD-Mindestbesteuerung und mögliche Kürzungen im Staatshaushalt.
Dass ein Wegzug der Pharmaunternehmen wie Roche und Novartis für die Schweiz teuer würde, zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens Wellershoff & Partners. Bei einer Verlagerung stünden Staatseinnahmen von bis zu 10 Milliarden Franken auf dem Spiel, schreiben die Ökonomen Johannes von Mandach und Klaus Wellershoff. Die Zahl - 10 Milliarden Franken - ergibt sich aus der überdurchschnittlich hohen Produktivität der Schweizer Pharmaindustrie sowie einem Wegzugszenario.
Die Wertschöpfung in der Pharmaindustrie ist rund fünfmal so hoch wie in den anderen Wirtschaftszweigen. Entsprechend viel trägt der pharmazeutische Sektor zur Schweizer Volkswirtschaft bei: In der Gesamtwirtschaft - inklusive Pharma - schafft eine Vollzeitstelle rund 192'000 Franken Wert, in der Wirtschaft ohne Pharmaindustrie sind es 182'000 Franken. «Die hohe Produktivität der Pharmaindustrie hebt den gesamtwirtschaftlichen Schnitt deutlich an», so die Autoren von Wellershoff & Partners.
Anders gesagt: Schon ein Teilabzug der Pharmabranche würde die gesamtwirtschaftliche Wertschöpfung senken und sich in der Folge auf die Staatseinnahmen auswirken. Die Ökonomen spielen den Extremfall einer vollständigen Abwanderung durch: 50'000 Vollzeitbeschäftigte würden dann, so die Annahme, nur noch je 182'000 Franken Wert (total: 9,1 Milliarden Franken) hervorbringen, weil sie in anderen Sektoren arbeiten - und nicht mehr in der Pharmaindustrie, wo sie heute fünfmal mehr leisten (total: 50,2 Milliarden Franken). Dies freilich nicht nur von selbst aus, sondern gerade auch weil Pharmaunternehmen Anlagen, Forschung und Technologie umfangreich einsetzen.
Unter dem Strich würde die Schweizer Wirtschaft etwa 41 Milliarden Franken einbüssen. So ergeben sich laut Wellershoff & Partners 13 Milliarden Franken an entgangenen Staatseinnahmen pro Jahr. Die Ökonomen legen hierzu eine Quote von 31 Prozent an - sie spiegelt den Anteil des Volkseinkommens, der Bund, Kantonen und Gemeinden über Steuern und Abgaben zufliesst.
Druck auf die Schuldenbremse dürfte wachsen
Es handelt sich um eine einfache Hochrechnung. Vertieft um Effekte, welche mitunter die Lohnstruktur und den Kapitaleinsatz betreffen, folgt laut den Experten: «Selbst bei einer konservativen Berechnung dürften die entgangenen Staatseinnahmen bei einem vollständigen Wegzug jedoch zwischen 8 und 10 Milliarden Franken liegen.»
Das Ergebnis ist insofern extrem, als es von einer vollständigen Verlagerung ausgeht, die kaum wahrscheinlich ist. Realistischer sind etwa Verschiebungen einzelner Geschäftsbereiche oder Abteilungen - oder, dass die Unternehmen sich mit der US-Regierung verständigen. Man sei seit Jahresbeginn in Gesprächen, sagte Novartis-CEO Vasant Narasimhan kürzlich in einem Analysten-Call, und in den wöchentlich stattfindenden Treffen würden bestmögliche Lösungen gesucht.
Zudem nehmen Bund, Kantone und Gemeinden rund 256 Milliarden Franken pro Jahr ein. 10 Milliarden entsprechen also 4 Prozent dieses Gesamtaufkommens. Als Orientierungsgrösse: Die direkten Steuern, die Bürgerinnen und Bürger bezahlen, machen zirka 30 Prozent aller Einnahmen aus.
Grundsätzlich seien die Kantonsfinanzen wohl überproportional betroffen, weil ein grosser Teil der Unternehmens- und Einkommenssteuern dort anfalle, führt Johannes von Mandach auf Anfrage von cash.ch aus. «Über den Finanzausgleich wären letztlich alle Kantone tangiert, besonders aber Basel.» Auch der Bund muss mit einem Einnahmenrückgang rechnen, der aber weniger ausgeprägt sein dürfte.
Die politische Reaktion kann in unterschiedliche Richtungen gehen, Steuererhöhungen oder Sparen sind möglich. Klar sei aber, so von Mandach, dass die Politik reagieren müsste und «dass der Druck auf die Schuldenbremse weiter zunehmen würde». Die Schuldenbremse soll dafür sorgen, dass Ausgaben und Einnahmen auf Dauer im Gleichgewicht sind. Es wird diskutiert, ob sie angemessen oder zu rigoros ausgestaltet ist.

