In den letzten vier Wochen hat der Genussschein von Roche über 5 Prozent zugelegt, die Aktie von Novartis gar 10 Prozent. Das dritte defensive Schwergewicht im Swiss Market Index, Nestlé, hatte im selben Zeitraum dagegen eine Nullperformance, was auch auf das enttäuschende Jahresresultat und den mageren Jahresausblick zurückzuführen ist.

Die Outperformance der Pharma-Aktie kann viele Gründe haben. So ist etwa das Treffen der Branche mit US-Präsident Donald Trump Ende Januar für die Pillenhersteller glimpflich verlaufen. Das "Worst-Case Scenario", dass die Regierung die Medikamentenpreise festsetzt, wurde unwahrscheinlicher.

Für Philipp Vorndran, Kapitalmarktstratege beim Kölner Vermögensverwalter Flossbach von Storch, hat der Auftrieb der "Defensiven" auch mit einem Umdenken der Investoren zu tun. Nicht-zyklische Aktien sind in den letzten Monaten zu stark gefallen. "Wenn ich mir anschaue, wie sich in den letzten neun Monaten die Bewertungsdifferenz zwischen den defensiven, nicht-zyklischen Aktien und den zyklischen Werten entwickelt hat, dann ist inzwischen wieder die Zeit gekommen, sich defensive Aktien anzuschauen", sagt Vorndran im cash-Börsen-Talk am Rande des Institutional Money Kongresses in Frankfurt.

Tatsächlich notierte die Aktie von Novartis im Juli des letzten Jahres noch auf einem Stand von 83 Franken. Bis im November und im Vorfeld der US-Präsidentschaftswahlen folgte der Absturz auf 67 Franken. Derzeit notiert der Titel nach der Aufholjagd bei 77 Franken. 

Gescheiterter Übernahmeversuch hat Folgen 

Der gescheiterte Übernahmeversuch von Unilever durch den US-Lebensmittelriesen Kraft Heinz ist laut Vorndran ein weiterer Weckruf der Anleger. "Das deutet darauf hin, dass Profis der Meinung sind: 'Langweilige' Aktien wie Unilever, Nestlé oder die der Pharmaindustrie sind wieder attraktiv bewertet." 

Das Wiedererwachen der "Defensiven" hat auch den Swiss Market Index, wo die grossen Nicht-Zykliker dominieren, auf die Erfolgsspur zurückgebracht. Der Leitindex notiert mit über 8500 Punkten derzeit auf dem höchsten Stand seit Januar 2016. Das ist aber noch immer relativ weit entfernt vom Stand von 9538 Punkten im August 2015.

Laut Vorndran, der früher Chefstratege von Credit Suisse Asset Management war, hoffen derzeit sehr sehr viele Profi-Investoren auf eine "Trump-Volatilität". Das heisst: Auf ein Rückfallen der Börsen, damit die in letzter Zeit bewusst aufgebauten Cash-Bestände wieder in Aktien investiert werden können. "Die Volatiliät an den Aktienmärkten ist trotz Trump und trotz Brexit aber auf historisch tiefen Niveaus," sagt Vorndran. 

Franken und Euro vor Belastungsprobe

Nicht Trump, sondern politische Ereignisse in Europa können in diesem Jahr für Börsenrücksetzer sorgen. Der Wahlausgang in Holland und vor allem in Frankreich haben das Potenzial, Europa kräftig durchzuschütteln, weshalb der Euro laut Vorndran in diesem Jahr "nochmals einem sehr starken Stresstest" ausgeliefert sein könnte. 

Ein serbelnder Euro bedeutet natürlich auf der Gegenseite Aufwertungsdruck für den Franken. Und es scheint, als hinterlasse das wichtige europäische Wahljahr bereits seit Wochen seine Spuren in der helvetischen Währung. Denn seit etwas mehr als zwei Monaten handelt der Euro mehrheitlich unter der Marke von 1,07  Franken. Am Dienstag erreichte er mit einem Niveau von 1,0632 Franken ein Jahrestief und fast den niedrigsten Stand seit den Marktturbulenzen nach dem Brexit-Votum Ende Juni. 

Die Schweizerische Nationalbank versucht seit Jahren, einer weitere Aufwertung der Schweizer Währung einzudämmen. Sie setzt seit der Aufgabe der Kursuntergrenze im Januar 2015 auf Negativzinsen von aktuell minus 0,75 Prozent, mit denen sie den Franken für Investoren unattraktiv machen will. Zudem interveniert sie bei Bedarf am Devisenmarkt: Sie druckt Franken und kauft damit hauptsächlich Euro, um den Franken zu schwächen. Ein starker Franken macht Schweizer Waren im Ausland teuer und bremst somit die die Exporte. 

Wird der Dollar tatsächlich stärker?

Für Vorndran ist klar, dass der Druck auf dem Franken bestehen bleibt und dass die SNB nach wie vor gefordert ist. "Ich glaube nicht, dass die Schweizer Notenbank den Kurs unter 1,06 fallen lässt, ohne massiv Massnahmen zu ergreifen", sagt er im cash-Börsen-Talk.

Beobachter führen die neue Frankenstärke aber auch auf eine neue Politik der SNB zurück, welche vor zwei Monaten angedeutet wurde: Die Nationalbank will bei möglichen Interventionen "die gesamte Währungssituation" berücksichtigen, wie sie sagte. Die SNB fixiert sich also nicht mehr ausschliesslich auf den Eurokurs. Gemäss einer Studie der UBS gewichtet die SNB seither den Euro-Franken-Kurs mit 70 Prozent, und den Dollar-Franken-Kurs mit 30 Prozent.

Wenn der Dollar stärker wird (oder der Markt zumindest damit rechnet), kann die SNB also eine teilweise Aufwertung des Frankens zum Euro zulassen. Vorndran allerdings ist sich nicht so sicher, dass der Dollar in diesem Jahr stark zulegen wird, wie dies die meisten Marktbeobachter erwarten.

Im cash-Börsen-Talk (Video) sagt Philipp Vorndran, weshalb die Devisenmarktentwicklung die "Dollar-Bullen" enttäuschen könnte und welches Rendite-Niveau US-Staatsanleihen attraktiv macht.