Bis der ehemalige Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen ist, wird es noch lange dauern: Der ehemalige Raiffeisen-Chef wird sich erst im Sommer 2026 vor dem Zürcher Obergericht verantworten müssen.

Grund für die lange Vorlaufzeit für den Obergerichtsprozess sei die Komplexität. Die Akten im Fall Vincenz hätten ausserordentliche Dimensionen angenommen, teilte das Obergericht am Mittwoch mit. Das mache die Vorbereitung sehr aufwändig. Alleine das begründete Urteil der Vorinstanz bringt es auf rund 1200 Seiten.

Das Gericht setzte aber immerhin einen genauen Termin fest: Der Prozess beginnt am 10. August 2026 und dauert voraussichtlich bis am 21. August. Sollten diese Verhandlungstage nicht ausreichen, stehen bereits Reservetermine Ende August und Anfang September fest.

Wann das Urteil eröffnet wird, ist noch offen. Weil dieses wohl ohnehin noch ans Bundesgericht weitergezogen wird, dauert es bis zu einem rechtskräftigen Urteil voraussichtlich noch etwa zwei Jahre. Bis dahin lebt der tief gefallene Banker Vincenz auf freiem Fuss.

Anklage zu detailliert

Ursprünglich wollte das Obergericht den Berufungsprozess gar nicht durchführen. Es kritisierte die Anklageschrift als viel zu lang und zu detailliert. Dies mache eine Verteidigung fast unmöglich.

Zudem sei das «Recht auf Übersetzung» bei einem französischsprachigen Mit-Beschuldigten verletzt worden, weil die Anklage auf Deutsch gewesen sei. Das Obergericht hob deshalb das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts vom April 2022 auf und wollte den ganzen Fall an die Staatsanwaltschaft zurückweisen.

Diese wehrte sich jedoch erfolgreich. Das Bundesgericht kam zum Schluss, dass die Anklage in Ordnung gewesen sei. Auch das «Recht auf Übersetzung» sei nicht verletzt worden. Das Obergericht müsse den Prozess deshalb durchführen, urteilten die Lausanner Richter.

«Tour de Suisse durchs Rotlichtmilieu»

Das Bezirksgericht Zürich verurteilte Vincenz im April 2022 wegen Betrugs, mehrfacher qualifizierter ungetreuer Geschäftsbesorgung und wegen mehrfacher passiver Bestechung. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monate. Ein zweiter Hauptbeschuldigter erhielt eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren.

Die Staatsanwaltschaft wirft Vincenz und dem anderen Hauptbeschuldigten vor, sich heimlich an Firmen beteiligt zu haben. Danach hätten sie dafür gesorgt, dass diese Unternehmen unter anderem von der Raiffeisen-Bank aufgekauft worden seien. Dabei sollen sie Millionen-Gewinne eingestrichen haben.

Zudem soll Vincenz Geschäftskreditkarten für private Zwecke verwendet haben. Der Staatsanwalt sprach vor dem Zürcher Bezirksgericht von einer regelrechten «Tour de Suisse durchs Rotlichtmilieu». Vincenz selber bezeichnete die Besuche in Stripclubs hingegen als Beziehungspflege zu wichtigen Kunden.

(AWP)