Es gibt berühmte Börsenweisheiten («Hin und her macht Taschen leer»). Es gibt nützliche Faustregeln, die definitiv einen wahren Kern haben («Kaufe das Gerücht, verkaufe wenn es Tatsache wird»). Und alleine Warren Buffett verdanken wir eine lange Reihe von Sprüchen, die sehr bereichernd sein können: «Price ist what you pay, value is what you get».

Kein Wunder auch: Die Finanzwelt ist immer auch ein Marktplatz für gute Erzählungen. Und heute ist dieser Story-Marktplatz lebhafter denn je: Mit den neuen Hobby-Plattformen wie Reddit und Trading-Sites wie Robinhood ist auch eine Szene gewachsen, in der man sich mit smarten Einsichten und Trading-Weisheiten übertrumpfen will.

Wir haben die einschlägigen Talks und Tweets durchforstet und eine Handvoll pfiffige Tipps herausgefiltert – und uns ein paar Deutungen dazu ausgedacht.

Wenn Sie sich beim Anlegen an solchen «Street-Wiseheiten» orientieren, kann auch in stürmischen Zeiten wenig schief gehen.

1. Beginne immer mit der Bewertung einer Aktie. Aber erwarte nicht, dass das irgendetwas ausmacht

Ein schizophrener Rat? Durchaus. Aber die Faustregel hilft zu verstehen, dass der allgemeine Trend weitaus stärker auf den Kurs eines Papiers einwirkt als der innere Wert. Was aber nicht davon abhalten soll, nach Qualität zu suchen. Oder als ähnliche Erkenntnis:

2. Es gibt fundamentale Entwicklungen, es gibt Zyklen und es gibt Moden. Sei dir bewusst, dass die Mode oft den stärksten Einfluss hat

Auch hier geht es um die Tatsache, dass der einzelne Titel den grösseren Trends ausgesetzt ist und dass der Gesamtmarkt irrational sein kann – vor allem kurzfristig. Der Grundsatz spiegelt sich übrigens auch in der berühmten Weisheit des Ökonomen John Maynard Keynes: «Die Märkte können länger irrational bleiben als du solvent bleiben kannst.»  

3. Die Welt ist noch nie untergegangen

Diesen Spruch kann man sich in allen Paniksituationen an den Spiegel hängen: Er erinnert daran, dass die Märkte selbst nach Riesen-Katastrophen und sogar durch schwerste Krisen hindurch letztlich Gewinne einbrachten – in zwei Weltkriegen, nach der Grossen Depression, im Kalten Krieg, nach der Finanzkrise und jetzt wieder in der Covid-19-Pandemie. Und irgendwie klingt hier auch ein anderes legendäres Zitat von Warren Buffett an: «Sei gierig, wenn sich die anderen fürchten, und sei furchtsam, wenn die anderen gierig sind.»

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4. Wenn du verlierst, dann mach einen Schnitt

Eine Erkenntnis, die helfen soll, sich selber zu überwinden: Viele Anleger bleiben auf schlechten Investments sitzen, weil sie sich eigene Fehler nicht eingestehen und die Verluste nicht realisieren wollen. Das ist objektiv betrachtet oft ein Fehler – mit teuren Folgekosten. 

5. Gier ist schlecht

Diese ist quasi der umgekehrte Ratschlag: Viele Anleger landen in der Enttäuschung, weil sie sich mit satten Kursgewinnen nicht zufrieden geben, weil sie nicht genug haben können – und dann bei der meist nachfolgenden Korrektur einen Rückschlag erleiden. Wer sich ein solides Gewinnziel setzt und dann auch aussteigt, ist auf der sicheren Seite.

6. Nur wer in die Klemme kommt, wird zerdrückt

Kurseinbussen sind kein Problem. Zum Problem werden sie erst, wenn man just zum Zeitpunkt des Verlusts verkaufen muss. Diese Einsicht sollte diverse Folge-Planungen und -Überlegungen auslösen: Man sollte bei Krediten einberechnen, wann Margin Calls drohen (und sicherstellen, dass man dann liquide ist). Und jedes Investment braucht nicht bloss einen Zeithorizont – sondern vor allem braucht es einen Zeithorizont, der jederzeit nach hinten geschoben werden kann. Denn wenig kommt einen teurer zu stehen als Panik-, Stress- und Zwangsverkäufe. 

7. Halte jedes Investment so klein, dass dich ein Totalverlust nicht zum Weinen bringt

Ein selbstredender Rat – den es in vielen anderen Formen auch gibt, Stichwort: Diversifizierung. 

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8. Frage Dich immer: Hast du genügend Cash auf der Seite?

Oder wie sonst willst Du sonst eine Krise durchstehen? Und vor allem: Wie sonst willst Du einen Crash ausnützen? (Siehe unten: «Buy the Dip»)

9. Kenne das Narrativ. Und versuche zu erahnen, wann keiner die Story mehr hören kann

Die Grundidee dahinter stammt vom Nobelpreisträger Robert Shiller: Danach wird die Wirtschaft (und werden die Finanzmärkte) von Geschichten gesteuert, von Stories – China ist der grösste Wachstumsmarkt, Roboter ersetzen Arbeitnehmer, die Inflation ist tot, der Klimawandel ist schlimm. Diese Stories breiten sich aus wie Viren und gewinnen dann enorme Macht über die Märkte. Und dann? Dann verschwinden sie auch schlagartig wieder. Auch wie Viren.

10. Wo ist das Narrativ falsch? Bist du sicher? Dann steckt hier eine Riesenchance

Viele starke Narrative erweisen sich im Rückblick als Irrweg – oder zumindest als schlechtes Abbild der Realität. Der Glaube an die «New Economy» war solch ein Beispiel: Damals entstanden enorme Kursgewinne wegen der Illusion, dass Gewinne kein wichtiger Faktor mehr sind, um ein Unternehmen zu beurteilen. Die Folge war ein ebenso enormer Crash danach.

11. Kaufe eine Kryptowährung, wenn du deinem Kind erklären kannst, weshalb sie in 10 Jahren mehr wert sein wird als heute. Sonst lass es

Denn nur dann nämlich hat jemand begriffen, wo der Wert eines Bitcoin oder eines Ether in etwa liegen könnte. Und dann hat man folglich eine Ahnung von einem realistischen Kurs.  Vielleicht ist das auch ein kleiner, persönlicher Meinungstest zum beliebten Narrativ von heute, das da lautet: Die Blockchain ist die Zukunft. Haben Sie die Antwort?

12. Höre nicht auf Elon Musk

Ein Spruch zum Phänomen, dass gewisse Social-Media-Prominente plötzlich die Börsen und Krypto-Märkte bewegen können wie einst die Börsengurus der Wall Street. Wieso soll ein Unternehmer und Ingenieur, der erfolgreich Autos entwickelt, eine tiefere Einsicht in die Finanzmärkte haben?

13. Ein Warren Buffett ist seltener als ein Sechser im Lotto

Wir alle glauben es irgendwie doch: Es gibt Menschen, die eine tiefere Kenntnis der Börsen haben und erfolgreicher damit umgehen können. Doch sie sind die seltene Ausnahme, und der längerfristige Rückblick zeigt, dass selbst legendäre Gurus stets nur Kinder ihrer Zeit waren.  Sie deuteten einen Trend zwar richtig, lagen aber in der nächsten Phase dann doch wieder falsch. Kaum ein Experte ragt über mehrere Phasen regelmässig heraus.

Dahinter steht die ewige Frage, ob es möglich ist, auf Dauer die Märkte zu schlagen. Die Skepsis drückt sich auch in anderen Börsensprüche aus, etwa: «Glaube keinem Analysten». Aber auch: «Nein, Du bist niemals schlauer als die anderen».

14. Wenn Du Dir sicher bist, dass Du richtig investiert hast, dann frag Dich: Was hast Du übersehen?

Siehe oben. Finanzmärkte sind kein Ort für Selbstsicherheit.

15. Plane Dein eigenes Worst-Case-Szenario

Was der schlimmste Einbruch Ihres Portfolios? Wer sich diese Frage präzise beantworten kann, kann daraus eine Strategie entwickeln, die in Krisen bei der Überbrückung hilft. Einige Testfragen dazu lauten auch: Welche Aktie würdest Du als allerletzte verkaufen? (Warum hast du nicht mehr davon?) Welches Papier würdest Du als erstes abstossen? (Warum hast Du es noch?)

Auffällig ist aber auch, dass derzeit ein älterer Spruch sehr häufig zitiert wird. Man kann fast sagen, dass er momentan schwer in Mode ist: «Don't fight the Fed.» Auf Deutsch: Lege dich nicht mit den Notenbanken an. Wenn die Zentralbanken – insbesondere das amerikanische Fed – ein Hauptziel verfolgen, dann können sich die Märkte dem schwer entgegenstemmen. In den 1970ern war es der Kampf gegen die Inflation (weshalb man damals nicht auf sinkende Zinsen setzen hättesollen), ab den 1990ern war es das Wachstum und eine tiefe Arbeitslosigkeit (weshalb die Anleger darauf vertrauen konnten, dass Probleme mit grösserer Geldmenge ausgebügelt werden).

Wer heute den Ratschlag «Don’t fight the Fed» erteilt, rät dazu, sich wohl noch auf eine längere Zeit mit tiefsten Zinsen einzustellen. Das führt direkt zum anderen Allerwelts-Ratschlag, der momentan auch sehr in Mode ist: «Buy The Dip.»

Auch dies ein älteres, bekanntes, fast schon banales Anlegermotto. Es bedeutet, dass Sie eigentlich jeden Einbruch (dip) zum Zukauf nutzen sollten, da die Aktienkurse langfristig gesehen immer steigen (und derzeit wohl auch mittelfristig).

(rap/hz)

Dieser Artikel erschien zuerst bei handelszeitung.ch mit dem Titel: '«Hört nicht auf Elon Musk»: 15 smarte Börsen-Tipps der anderen Art'