Einst ein 50-Milliarden-Dollar-Riese, ist nun ein weiteres chinesisches Immobilienunternehmen Evergrande unter Hunderten von Milliarden an Forderungen begraben. Mit dem bevorstehenden Delisting von Evergrande an der Hongkonger Börse schliesst sich das Kapitel des einst wertvollsten Bauträgers Chinas. Doch sein Niedergang ist auch symbolisch für den Wandel am chinesischen Aktienmarkt.
Die Gewichtung des Immobiliensektors beträgt am Mittwoch mit vier gelisteten Unternehmen noch rund 1 Prozent des CSI-Index-Marktkapitalisierung. Zum Vergleich: 2017 waren 19 Bauträger im Index vertreten - das war auch das Jahr, als die Titel von Evergrande den Kurshöchstpunkt erreichten. Diese 19 Immobilienunternehmen machten damals zusammen etwa einen Fünftel des Gesamtgewichts im Index aus.
Dieser Rückgang bei der Indexgewichtung ist auf die Bemühungen Pekings zurückzuführen, den Markt neu zu strukturieren. Immobilien beeinflussten den Index früher im Gleichschritt mit Kreditzyklen und der Wohnungspolitik. Trotz eines beispiellosen Immobiliencrashs und anhaltender Handelskonflikte mit den USA ist der Shanghai Composite nun in Reichweite eines 10-Jahres-Hochs. Statt von Immobilien wird er von politisch geförderten Sektoren wie Verteidigung, Industrieautomation und Hardwarefertigung angetrieben. Staatliche Fonds haben zur Stabilisierung der Stimmung beigetragen, während die relative Stabilität des Yuan für positive Zuflüsse an die Börse gesorgt hat.
Dieser veränderte Marktmix erklärt, warum Aktienhändler auf den Niedergang von Evergrande mit einem Gähnen reagieren dürften. Der Indexwert des Immobiliensektors ist mittlerweile zu gering, um die Märkte nennenswert zu belasten, und die Anleger haben eingepreist, dass der Wohnungssektor kein Wachstumsmotor mehr ist. Stattdessen hängt der aktuelle Zyklus von Hightech-Produktionsmodernisierungen, staatlich ausgerichteten Wachstumsinitiativen und der Widerstandsfähigkeit der Einzelhandelsströme ab.
Die grössere Frage ist, ob die neuen Marktführer ihre Dynamik ohne die starke Liquiditätsunterstützung, die die Rallye bisher gestützt hat, aufrechterhalten können. Das Fundament für die aktuelle Rallye ist schmaler und kann den Markt kurzfristig sicherlich nach oben treiben. Der Ausgang bleibt jedoch unklar, falls sich die politischen Prioritäten erneut ändern oder die globale Nachfrage nachlässt.
(Bloomberg/cash)