Die Uhr tickt: Bis zum Jahresende soll klar sein, wie es mit dem europäischen Kampfjet-Projekt FCAS weitergeht, das an der deutsch-französischen Rivalität zu scheitern droht. Nun spielt die Politik den Ball zurück ins Feld der Unternehmen.

Der Nachrichtenagentur Reuters liegt ein «Entscheidungs-Fahrplan» der Bundesregierung vor, in dem es heisst: «Das Ziel ist, dass die Vorstandschefs der beteiligten industriellen Partner bis Mitte Dezember eine Einigung über die Grundzüge der Zusammenarbeit für die nächste Programmphase finden und unterschreiben.» Die Luftwaffen-Chefs beider Armeen sollten gleichzeitig überprüfen, was genau sie bräuchten.

In Regierungskreisen hiess es, die Politik wolle mit dem Fahrplan ihre Führungsrolle in dem 100-Milliarden-Euro-Projekt behaupten. Airbus und Dassault, die beim Future Combat Air System (FCAS) die deutsche und die französische Seite vertreten, wollten sich dazu nicht äussern.

Der Streit zwischen beiden Konzernen schwelt seit Monaten. In der vergangenen Woche hatten Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron auch darüber beraten, ob und wie er zu lösen wäre. Dabei geht es um mehr als einen gemeinsamen europäischen Kampfjet der nächsten Generation, der von 2040 in Frankreich die Rafale und in Deutschland den Eurofighter ablösen soll. Mit im Paket sind unter anderem Drohnen für Frankreich, Spanien und Deutschland, die die Jets flankieren.

Zwischen Airbus und Dassault wächst das Misstrauen, seit der Chef des französischen Rafale-Herstellers, Eric Trappier, mit Forderungen vorgeprescht ist, die nach Airbus-Lesart weit über das Vereinbarte hinausgehen. Trappier will die Führungsrolle, was Design und Entwicklung des Kampfjets angeht, für Dassault. Die Franzosen hätten die grösste Erfahrung dabei, und Rangeleien über die Verantwortung liessen sich so vermeiden. Airbus könne dafür die Führung bei anderen Teilen des Projekts übernehmen.

«Jetzt gehen sie aufeinander los»

Damit käme Dassault auf einen Anteil von 80 Prozent an dem Projekt, rechnen deutsche Beteiligte vor. Dassault will davon nichts wissen: Französischen Insidern zufolge will man nur die Parität zwischen Frankreich und Deutschland wieder herstellen, die vor dem Einstieg der Spanier gegeben war. Airbus, dessen Rüstungssparte in Deutschland angesiedelt ist, vertritt in dem Projekt Deutschland, aber auch Spanien. Operativ wiederum ist die spanische Indra in FCAS eingebunden. Alle drei Länder sollten zu je einem Drittel an FCAS beteiligt werden.

Von beiden Seiten heisst es, der jeweils andere könne ja aus FCAS aussteigen, wenn ihm die Vereinbarung nicht passe. Douglas Barrie, Militärflugzeug-Experte beim britischen International Institute for Strategic Studies (IISS), gibt der Politik dafür Mitverantwortung: «Eine ehemals sehr enge und starke politische Beziehung zwischen Paris und Berlin ist abgekühlt. Man hat die Industrie von der Leine gelassen, und jetzt gehen sie richtig aufeinander los.»

Für die gemeinsame europäische Rüstungs-Beschaffung, die angesichts der neuen Bedrohungen immer lauter gefordert wird, ist das ein schlechtes Zeichen. Ob Macron, der vor dem Ende seiner Amtszeit steht und von innenpolitischen Krisen gebeutelt wird, Dassault zu Zugeständnissen zwingen kann, wird bezweifelt. Das familiengeführte Unternehmen, das seit dem Zweiten Weltkrieg alle französischen Kampfjets gebaut hat, könnte versuchen, die Zeit bis zu den Präsidentenwahlen 2027 in Frankreich einfach auszusitzen, sagen hochrangige Beamte und Manager. Dassault wollte sich dazu nicht äussern.

Vor 40 Jahren: Frankreich steigt aus Eurofighter aus

Ältere Branchenkenner haben ein Deja-vu: Es war 1985, vor genau 40 Jahren, als Frankreich aus dem Eurofighter-Projekt ausstieg und mit der Rafale ein Kampfflugzeug im Alleingang entwickelte. Das könnte sich nun wiederholen. Doch kann sich Frankreich das angesichts der Haushaltskrise ohne Deutschland leisten? Deutschlands Taschen sind dank des aufgestockten Verteidigungsbudgets tief.

In deutschen Branchenkreisen heisst es, man könne auch allein einen Tarnkappenbomber bauen. Auch könne sich Airbus mit der schwedischen Saab zusammentun, die zurzeit keinen Partner hat, oder sich dem von der britischen BAE Systems geführten FCAS-Konkurrenzprojekt GCAP anschliessen. Airbus pflege mit beiden Alternativ-Partnern Kontakte auf höchster Führungsebene, sagten mit dem Vorgang vertraute Personen. In Frankreich dagegen wird bezweifelt, dass Deutschland ein solches Flugzeug oder dessen Triebwerk allein bauen oder sich schnell in GCAP einfügen könne.

Ein deutscher Insider hatte die Chancen, dass Deutschland und Frankreich wirklich ein gemeinsames Kampfflugzeug bauen, noch vor dem jüngsten Vorstoss der Bundesregierung auf «weniger als 50 Prozent» beziffert. «Wir können uns nicht leisten, dass dieses Projekt scheitert», heisst es dagegen in französischen Regierungskreisen. Ein gesichtswahrender Minimalkompromiss könnte darauf hinauslaufen, dass FCAS auf eine «Combat Cloud» reduziert wird, die die sichere Vernetzung im Einsatz sicherstellt und damit ein umfassendes Lagebild gibt. Airbus und Dassault könnten dann jeweils eigene Flugzeuge entwickeln.

(Reuters)