Viele Schweizer Politikerinnen und Politiker sehen die Schweizer Aussenpolitik nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen noch stärker gefordert als bisher. Mehrere Exponentinnen und Exponenten sagten, nun müsse die Schweiz die Beziehungen zu Europa stärken.
In einer zunehmend in Blöcke aufgeteilten Welt habe die Schweiz mit ihrer kleinen Volkswirtschaft alles Interesse daran, mit einem starken Europa gemeinsam Politik zu betreiben. Das sagte Mitte-Aussenpolitikerin Elisabeth Schneider-Schneiter in der Sendung «Rendez-vous» von Schweizer Radio SRF.
Auch die GLP-Nationalrätinnen Corina Gredig und Tiana Moser forderten auf der Kurznachrichtenplattform X die Stärkung der Beziehungen der Schweiz zu Europa, ebenso Sibel Arslan von den Grünen. Der Industrieverband Swissmem erwartet von den USA unter Trump mehr Protektionismus - gleich wie andere Schweizer Wirtschaftsverbände.
Eine aktive Aussen- und Aussenwirtschaftspolitik werde deshalb noch wichtiger. So fordert Swissmem von der Schweizer Politik die Wiederaufnahme von Sondierungsgesprächen für ein Freihandelsabkommen mit den USA. Das will auch Mitte-Vizepräsident Charles Juillard.
Für SP-Co-Präsident Cédric Wermuth ist die Schweiz auch auf anderer Ebene gefordert: Sie müsse in der neuen Amtszeit Trumps mit anderen Staaten auf die Bedeutung internationaler Abkommen und die Unterstützung der Ukraine pochen. FDP-Präsident Thierry Burkart sagte, für die Schweiz bedeute die Wahl Trumps Unsicherheit.
Revival für die Neutralität?
Der Chef der SVP-Bundeshausfraktion, Thomas Aeschi, sieht im Sieg Trumps auch eine Chance für die Schweiz. Die Schweizer Neutralitätspolitik könnte in einer zunehmend in Blöcke zerfallenden Welt ein «Revival» erleben, also ein Wiederaufleben. «Ich sehe durchaus Potenzial für die Schweiz als Vermittlerin», sagte Aeschi.
Mehrfach äusserten Schweizer Politikerinnen und Politiker auch die Befürchtung, die erneute Machtübernahme von Trump in den USA bedeute nichts Gutes für Demokratie und Grundrechte.
So teilte die Präsidentin der nationalrätlichen Sicherheitskommission, Priska Seiler-Graf, auf der Kurznachrichtenplattform X einen Kommentar eines Magazins. Sie kommentierte, Trumps Sieg mache «polarisierende, frauenfeindliche Politik, das Leugnen der Klimakrise und die Stärkung der Macht reicher Eliten salonfähig». Sie sei «in tiefer Sorge», so die Zürcher SP-Nationalrätin.
Die Präsidenten der Aussenpolitischen Kommissionen von National- und Ständerat (APK-N und APK-S) äusserten sich hingegen zurückhaltend zu den Folgen der Wahl. Vieles sei offen. Die Schweiz müsse die Entwicklungen auf der weltpolitischen Bühne aufmerksam verfolgen.
Trump werde die US-amerikanische Philosophie einer Supermacht verteidigen, sagte APK-S-Präsident Marco Chiesa (SVP/TI). «Für uns in der Schweiz wird sich dadurch nicht so viel ändern.» Weil Trump «ein Businessman» sei, könnte er aus wirtschaftlicher Sicht für positive Effekte sorgen, mutmasste Chiesa weiter.
Einigkeit bei den Gründen für Trump-Sieg
In der Schweiz lebende US-Demokraten nahmen das Wahlresultat am Mittwoch mit «immenser Enttäuschung» auf, so Peter Butterfield, Kassier der Democrats Abroad Switzerland. Den Republikanern sei es gelungen, die Inflation und die Angst vor der Einwanderung zu instrumentalisieren. Den Demokraten sei der Kontakt zur arbeitenden Bevölkerung verloren gegangen.
Auch Tariq Dennison von den «Republicans Overseas» sieht die Inflation und die Immigration als wichtigsten Grund für den Sieg Trumps. Er glaubt, dass die neuerliche Trump-Präsidentschaft in den USA keine Revolution bedeutet, sondern dass Trump da und dort kleine Veränderungen einleiten wird, um die Wirtschaft und den Alltag der Menschen zu verbessern. Dennison reagierte «erleichtert» und «sehr zufrieden» auf den Wahlsieg Trumps.
Das hilf-, kopf- und kraftlose Europa müsse sich wie die Ukraine warm anziehen, kommentierten am Mittwoch die Tamedia-Zeitungen. Die US-Amerikaner hätten mit der Wahl von Donald Trump eine hochriskante Wette abgeschlossen, kommentierte die «Neue Zürcher Zeitung». Und die Zeitungen der CH-Media-Gruppe analysierten, die US-Amerikaner hätten sich vor allem gegen die Fortführung der Biden-Harris-Politik ausgesprochen.
(AWP)