Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Sebastien Lecornu zum neuen Ministerpräsidenten ernannt und damit Erwartungen auf einen Linksschwenk eine Absage erteilt. Der Élysée-Palast gab die Entscheidung für den 39-jährigen früheren Konservativen am Dienstagabend bekannt. Lecornus Wahl deutet auf Macrons Entschlossenheit hin, mit einer Minderheitsregierung an seinem wirtschaftsfreundlichen Reformkurs festzuhalten. Unter diesem wurden die Steuern für Unternehmen und Vermögende gesenkt und das Rentenalter angehoben.
Macron war zur Ernennung seines fünften Regierungschefs in weniger als zwei Jahren gezwungen, nachdem das Parlament seinen Vorgänger Francois Bayrou am Montag im Zuge einer von Bayrou selbst gestellten Vertrauensfrage gestürzt hatte. Bayrou war nur neun Monate im Amt und scheiterte mit einem Sparkurs, um die Staatsverschuldung mit massiven Ausgabenkürzungen in den Griff zu bekommen. Die wichtigste Aufgabe für Lecornu wird es nun sein, eine Mehrheit für den Haushalt 2026 im Parlament zu finden. Das französische Defizit liegt derzeit bei fast dem Doppelten der in der EU erlaubten Obergrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung.
Lecornu begann seine politische Karriere bei den Konservativen unter dem früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy. Er verliess die Partei Les Republicains, um sich Macrons zentristischer Bewegung bei dessen erster Wahl 2017 anzuschliessen. Fünf Jahre später leitete er den Wahlkampf vor Macrons Wiederwahl.
Mit der Ernennung Lecornus riskiert Macron, die Sozialisten vor den Kopf zu stossen. Diese hatten angekündigt, zentrale wirtschaftspolitische Massnahmen Macrons wie die Abschaffung der Vermögenssteuer und die Anhebung des Rentenalters rückgängig machen zu wollen. Der Präsident betrachtet diese jedoch als wesentlich, um Frankreich für Investoren attraktiv zu machen.
Lecornu möglicherweise auf Parte von Le Pen angewiesen
Der Präsident und seine Regierung sind nun möglicherweise auf die Unterstützung der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen im Parlament angewiesen. Lecornu, zuletzt Verteidigungsminister, pflegte Kontakte zur RN-Führung. Vertreter der Partei hatten der Nachrichtenagentur Reuters gesagt, sie könnten Lecornu im Falle seiner Ernennung stillschweigend unterstützen.
Lecornu und Macron werden sich auch einer neu formierten Bürgerbewegung stellen müssen, die unter der Parole «Bloquons tout» (Lasst uns alles blockieren) für Mittwoch landesweite Proteste plant. Sie hat ihre Wurzeln in den sozialen Medien und weckt Erinnerungen an die Gelbwestenbewegung, die Ende 2018 und Anfang 2019 gegen Macrons Politik mobil machte. Auslöser war damals die geplante höhere Besteuerung von Diesel. Nun regt sich angesichts der politischen Dauerkrise im Land erneut Unmut gegen den mit sinkenden Popularitätswerten kämpfenden Präsidenten. Der Staat rüstet sich mit einem Grossaufgebot von 80.000 Polizisten gegen die Proteste, an denen bis zu 100.000 Menschen teilnehmen könnten. Es wird befürchtet, dass der Betrieb an Flughäfen, Bahnhöfen und der Verkehr auf Schnellstrassen mit Blockaden oder Sabotageakten gestört werden. Die Gewerkschaften haben ausserdem für den 18. September zu Streiks und Protesten aufgerufen.
Macron hatte nach den Verlusten seiner Allianz bei den Europawahlen im Juni 2024 das Parlament aufgelöst. Doch die vorgezogene Neuwahl hatte entgegen seinen Erwartungen zu einer noch tieferen Spaltung der Nationalversammlung geführt und die politische Krise Frankreichs verschärft.
(Reuters)