Die Zeiten sind längst vorbei, als die Preisschildmasten an den Tankstellen in Deutschland für viele Stunden ein und denselben Benzinpreis nannten. Zwei oder drei Änderungen am Tag, viel mehr Preisbewegungen gab es Anfang des Jahrtausends nicht. Ganz anders ist es heute: Jetzt gleichen die Preiskurven der Tankstellen an manchen Tagen den Aktienkursen an der Börse.

Wie der deutsche Automobilklub ADAC in seiner jüngsten Untersuchung herausgefunden hat, gehen die Preise mindestens neunmal am Tag herauf oder herunter. Die bisherige Daumenregel, dass Benzin oder Diesel am Morgen besonders teuer und am Abend eher günstig sind, gilt nicht mehr ausschliesslich.

Die Taktik dahinter ist klar: Die Ölkonzerne wollen mit ihren Preisveränderungen verhindern, dass sich die Autofahrer auf Zeiten mit bestimmten Preisstellungen einstellen oder verlassen können. Zwar stellen Aral, Shell, Esso und Co. die Grundregel nicht auf den Kopf. Die Morgenstunden bleiben teuer, die Abendstunden sind weiterhin die Zeit für günstiges Auftanken. Doch in den Stunden dazwischen sind die Tankstellenkonzerne nun deutlich aktiver.

Preisbildung wird immer rätselhafter

Mit zu diesen Tageszeiten bislang unerwarteten Anhebungen wollen die Tankstellenketten erreichen, dass die durchschnittliche Gewinnmarge je verkauftem Liter Kraftstoff steigt. Im Durchschnitt und nach Abzug aller Kosten sowie vor Steuern verdient ein Ölkonzern derzeit rund zwei Cent an jedem Liter Benzin oder Diesel.

Die Preisbildung wirke auf die Autofahrer immer rätselhafter, schreibt der ADAC. Doch wer diese neuen Regeln berücksichtigt, vermeidet eine hohe Benzinquittung: Zwischen sechs Uhr und acht Uhr morgens liegen die Tankstellenpreise nach den Berechnungen um 4,5 Cent über dem Tagesdurchschnittspreis – das Tanken ist also teuer. Zwischen 18 Uhr und 22 Uhr sind bis zu drei Cent weniger als der Tagesdurchschnitt zu zahlen. Bei einer Tankfüllung von 50 Litern macht das einen Unterschied von 3,75 Euro aus.

Hinzu kommen nun insgesamt drei Tageszeiten mit weiteren Preisveränderungen. Der Weg von den teuren Morgenstunden zu den vergleichsweise günstigen Abendstunden wird dreimal mit erneuten, wenn auch kurzzeitigen Verteuerungen unterbrochen. Diese Ausschläge nach oben liegen laut den ADAC-Daten zwischen zehn und elf Uhr, zwischen 13 Uhr und 14 Uhr sowie zwischen 16 Uhr und 17 Uhr. Dann gehen die Preise für Benzin und Diesel noch einmal um etwa zwei Cent in die Höhe.

Ebenfalls anders als früher ist es in den Nachtstunden von 23 Uhr bis fünf Uhr morgens relativ ruhig an den Stationen, zumindest was die Preise betrifft. In den Stunden liegen sie um etwa einen Cent über dem Tagesdurchschnitt und schwanken fast gar nicht mehr. Das Fazit lautet: Neben den Abendstunden gibt es tagsüber ebenfalls Phasen mit vergleichsweise niedrigen Benzin- und Dieselpreisen - aber eben auch teure Zeiten.

"Unser Eindruck ist, dass die Autofahrer das Grundmuster der Preisverläufe sehr wohl erkannt haben und es für sich nutzen", sagte Rainer Wiek, Chefredakteur des "Energie Informationsdienstes". Belastbare Daten dazu gebe es jedoch nicht. Denn die Ölkonzerne liessen sich nicht in die Karten schauen, wie sich die abgesetzten Mengen und Gewinnmargen über den Tag hinweg entwickelten.

Seit der Einführung der Markttransparenzstelle beim Bundeskartellamt müssen sämtliche 14'500 Tankstellen in Deutschland im Abstand von wenigen Minuten ihre Preise melden. Die daraus entwickelten Daten werden über diverse Anbieter im Internet verbreitet – der ADAC ist lediglich einer davon (hier geht's zur Website).

Der Artikel erschien zuerst bei der "Welt" unter dem Titel "So sparen Sie bei jedem Tankstopp mehrere Euro".